Rückkehr(zur)-Ökumene: Gedanken zum Todestag von Frère Roger

Frere Roger

Heute vor 10 Jahren und 14 Tagen wurde der Gründer und Prior der Gemeinschaft von Taizé ermordet, Frère Roger. Die Nachrufe sind geschrieben und an vorderster Stelle wurde dabei der herausragenden Bedeutung Frère Rogers für die Ökumene gedacht. Denn wenn Taizé für etwas steht, dann ist es der Gedanke einer Versöhnung der in Konfessionen gespaltenen Christenheit durch den Geist der Gemeinschaft.

Die postmoderene Ökumene
Ökumene ist insbesondere unter sich als weltoffen und fortschrittlich verstehenden Christenmenschen quer durch alle Konfessionen hip. Sie wird dabei quasi als natürlicher Gegensatz zu einem traditionalistischen Verständnis von Christentum gesehen und oft gegen traditionelle römisch-katholische Glaubensüberzeugungen in Stellung gebracht. Ökumene und traditionsorientierter Katholizismus, dass scheint sich prinzipiell auszuschließen. Diese Auffassung ist sowohl unter Traditionalisten als auch unter “Modernisten” verbreitet. Die einen bekommen deshalb häufig schon beim Wort Ökumene Kopfschmerzen, den anderen kann es gar nicht ökumenisch genug zugehen.
Der liberale Protestantismus hat das Modell der sogenannten “versöhnten Verschiedenheit” hervorgebracht. Darunter wird landläufig verstanden, dass die Konfessionen ihre Unterschiedlichkeit als gegenseitige Bereicherung anerkennen sollen und quasi jede Glaubensauslegung ihre gleichwertige Berechtigung habe. Dieses Verständnis von Ökumene ist von postmodernem Zuschnitt:
Die Verteidigung einer Überzeugung, die Suche nach einem Sinn hinter den Erscheinungen, die Suche nach einer Wahrheit, das alles gilt den Protagonisten der Postmoderne wie Jean-Francois Lyotard oder Jacques Derrida als tendenziell totalitär. Der Suche nach Wahrheit wird eine Vielfalt nebeneinander stehender Systeme und Sichtweisen gegenüber gestellt.
Der liberale Protestantismus aber auch einige liberale Strömungen im Katholizismus haben die postmoderne Weltsicht stillschweigend adaptiert. Für die eigenen Glaubensüberzeugungen einzutreten oder gar die Überzeugungen anderer zu kritisieren, gilt als unfein und als “dogmatisch”, intolerant. Intolerant zu sein ist einer der schwersten Vorwürfe, der einen heutzutage treffen kann. Wer in den Ruf kommt, intolerant zu sein, ist gebrandmarkt. Alles geht, bis auf eine traditionell orientierte katholische oder auch protestantische Überzeugung. Als ein evangelischer Pastor aus Bremen in seiner Kirche einen konservativ orientierten Protestantismus verteidigte, wurde er in den Medien als “Hassprediger” beschimpft.

Ökumene des kleinsten gemeinsamen Nenners
In der Praxis läuft dieses postmoderne ökumenische Modell auf eine Ökumene des kleinsten gemeinsamen Nenners und auf ein unverbindliches Nebeneinander der verschiedenen Konfessionen hinaus. Solcherart ökumenische Veranstaltungen pflege ich so gut es geht zu meiden. Warum? In der Regel lassen sie jede liturgische Form, jede spirituelle Tiefe und jegliche intellektuelle Originalität vermissen und dienen meistens nur dazu, sich gegenseitig der ökumenischen Correctness zu versichern. Total langweilig!

Sehnsuchtsort Taizé
Nun wird jeder Taizébesucher und jede Taizébesucherin wissen, dass es dort hoch liturgisch zugeht und es sich um einen Ort von einer ganz besonderen spirituellen Tiefe handelt. Taizé ist ein Sehnsuchtsort, fast alle kommen tief berührt von dort zurück. Ich vermute: Es muss sich in Taizé um eine andere als die postmoderne Form der Ökumene handeln.

Spaltung der Christenheit – Versündigung am Leib Christi
Der Gründer der Gemeinschaft von Taizé, Frère Roger, stammt aus einer protestantischen Familie. Seine Eltern und Großeltern waren evangelisch-reformierte Christen, die sich indes durch einen Hang zur katholischen Spiritualität auszeichneten. Das hat ihn tief geprägt, wie er selbst bekannte: “Das Lebenszeugnis meiner Großmutter hat mich so geprägt, dass ich schon in jungen Jahren meine Identität als Christ darin gefunden habe, in mir den Glauben meiner Herkunft mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgendjemandem die Gemeinschaft zu brechen”. Für Frère Roger bedeutete Ökumene daher immer auch eine Wiederherstellung einer Gemeinschaft mit der apostolischen katholischen Kirche der westlichen Hemisphäre, eine Wiederherstellung der Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche. Frère Roger war sich bewusst, dass die eine von Christus gestiftete Kirche trotz aller Unzulänglichkeiten ganz wesentlich in der katholischen Kirche aufgehoben ist, dass eine Einheit der Christenheit nur mit der katholischen Kirche verwirklicht werden kann und nicht neben ihr, dass die Spaltung der Christenheit in konkurrierende Gruppen und Gemeinschaften eine Versündigung am Leib Christi ist.

Versöhnte Gemeinschaft
Frère Roger war sich außerdem bewusst, das die entscheidende spirituelle Kraft in der westlichen Hemisphäre von der römischen-katholischen Kirche ausgeht. Er konnte überhaupt nur zu einem Ordensgründer werden, weil er sich mir der katholischen Spiritualität versöhnt sah. Gleichwohl war es ihm immer wichtig, seine Brüder und Schwestern in den protestantischen Konfessionen auf diesem Weg mitzunehmen. Deswegen sah er eine individuelle Konversion für sich nicht als eine Lösung an: Gerüchte, wonach er in die römisch-katholische Kirche konvertiert sei, wurden nach seinem Tod von der Gemeinschaft von Taizé entschieden dementiert: “Frère Roger habe einen einzigartigen Weg gehabt, stellt die Gemeinschaft von Taizé fest. Als Protestant sei er ‘nach und nach in die volle Gemeinschaft mit dem Glauben der katholischen Kirche getreten, ohne eine “Konversion”, die einen Bruch mit seinen Wurzeln bedeutet hätte’.”

“Versäumen wir diesen uns geschenkten Moment nicht!”
Wer also heute einem letztlich unverbindlichen Nebeneinander der Konfessionen der Wort redet, kann sich dabei jedenfalls auf Frère Roger nicht berufen. Im Gegenteil, wer dem Vorbild von Frère Roger folgen will, muss alles unterlassen, was den Riss zwischen den Konfessionen und die Trennung von der römischen Kirche vertieft und alles tun, um so schnell wie möglich wieder in eine Gemeinschaft mit ihr zu gelangen. Der Nachfolger von Frère Roger und jetzige Prior der Gemeinschaft von Taizé, Frère Alois, hat dazu einen Vorschlag gemacht: “Könnten nicht alle Christen die Berufung des Bischofs von Rom anerkennen, Verantwortung für die Gemeinschaft unter allen zu tragen, einer Gemeinschaft in Christus, in der auf manchen Gebieten Unterschiede im theologischen Ausdruck weiterbestehen können? Gibt Papst Franziskus nicht uns allen dadurch die Richtung vor, dass er der Verkündigung der Barmherzigkeit Gottes die höchste Priorität einräumt? Versäumen wir diesen uns geschenkten Moment nicht! Ich bin mir dessen bewusst, dass ich damit ein heißes Eisen anfasse und mich vielleicht auch unbeholfen ausdrücke. Dennoch sehe ich keinen anderen Weg, um in Richtung einer versöhnten Verschiedenheit weiterzugehen”.

Ja zur Rückkehr-Ökumene
Die Ökumene, die Frère Roger uns näherbringen wollte, war die versöhnte Verschiedenheit als versöhnte Einheit mit der (römisch-)katholischen und natürlich auch den orthodoxen Kirchen. Eine solche Ökumene kann nicht anders, sie muss immer auch ganz wesentliche eine Ökumene der Rückkehr zur Einheit mit der großen katholischen Kirche sein, auch wenn der Begriff “Rückkehr-Ökumene” immer wieder auf heftige Abwehr trifft.
Die Brüder der Taizé-Gemeinschaft stellen klar: „Jene, die um jeden Preis wollen, dass die christlichen Konfessionen ihre jeweilige Identität darin finden, dass sie sich in Opposition zum anderen begeben, können sicherlich nicht den Weg von Frère Roger erfassen. Er war ein Mann der Gemeinschaft, und vielleicht ist es das, was manche nur schwer verstehen können.“
Das sei auch so manchem Alt-Katholiken ins Stammbuch geschrieben.

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