WAHRHAFT AUFERSTANDEN

Byzantinische Osterikone

Kleine Betrachtung zu den Osterfeiern in der West- und Ostkirche

An Ostern wird die Spaltung zwischen der östlichen und der westlichen Christenheit besonders deutlich, fallen doch die Osterfeierlichkeiten im Westen einerseits und im Osten andererseits in der Regel auf unterschiedliche Daten. Der Westen feiert nach dem neuen, dem gregorianischen, der orthodoxe Osten und nach dem alten julianischen Kalender. In diesem Jahr, 2024, sind östliches und westliches Osterfest ĂŒber einen Zeitraum von vier Wochen voneinander getrennt. Persönlich habe ich Ostern, das Pas’cha-Mysterium, bisher nur im westlichen Ritus kennengelernt. Nun feiere ich im Benediktinerkloster in Niederaltaich das erste Mal die ostkirchliche Osterliturgie mit: Hier gibt es zwei Gemeinschaften unter einem Klosterdach, eine ostkirchliche und eine römische. Beide begehen Ostern nach dem gregorianischen Kalender.
Die zentralen Osterfeiern im westlichen, römischen Ritus haben einen streng chronologischen Charakter. Man begleitet Christus mit seinen JĂŒngern beim Pas’cha-, dem letzten Abendmahl, folgt ihm in den Garten Gethsemane und hört seine, des Menschen Jesus, verzweifelten Gebete: „Vater, wenn es dein Wille ist, dann lass diesen bitteren Kelch des Leidens an mir vorĂŒbergehen. Aber nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen (Lk 22, 42-43).“ Die österliche Gemeinde erlebt seine Auslieferung durch Judas Iskariot, das Verhör vor Kaiphas und dem hohen Rat der Juden und seine Überstellung an Pontius Pilatus.
Der Leidensweg bis hin zum Kreuzestod steht im Zentrum des Karfreitags, dem Tag des großen Schmerzes und der Trauer innerhalb der Heiligen Drei Tage, des Triduum Sancrums. Schon seit Beginn der Fastenzeit sind alle Halleluja-Rufe und der jubelnde Lobpreis Gottes im Gloria verstummt. In der heiligen Osterfeier in der Nacht von Samstag auf Sonntag, dem Auferstehungstag, wird noch einmal die gesamte Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zur Auferstehung in den bis zu neun Lesungen aus dem Alten Testament und den Evangelien rekapituliert. Und erst dann, in der Feier der Eucharistie, darf im Gloria und im Halleluja-Ruf wieder gejubelt werden. Das hat, nach sechs Wochen liturgischem Verzicht, etwas Eindringliches und Befreiendes. Dabei sind, und das unterscheidet die westliche von der östlichen Liturgie, die verschiedenen Etappen der Passion hin zu diesem Befreiungsschlag tendenziell isoliert vom Ziel des Heilsgeschehens inszeniert.
In der ostkirchlichen Tradition folgt das Osterfest einer Ă€hnlichen Dramaturgie wie in der westlichen Kirche. Die gesamte Karwoche wird jedoch als die Hohe und Heilige Woche betrachtet, ohne den Fokus allein auf die drei Heiligen Tage ab GrĂŒndonnerstag zu legen. Dennoch fallen die bedeutendsten Feiern auch in der Ostkirche in diesen Zeitraum. In der ostkirchlichen Gemeinschaft in Niederalteich beginnen die Osterfeiern bereits am Mittwochabend mit der Liturgie der vorgeweihten Gaben sowie der Matutin bei Einbruch der Dunkelheit.
Der GrĂŒndonnerstag wird mit der Vesper und der Basilius-Liturgie eingelĂ€utet. Die nĂ€chtliche Feier beschrĂ€nkt sich nicht auf das letzte Abendmahl, denn bereits in dem vorgezogenen Orthros, dem Morgengottesdienst, wird der Heiligen Leiden des Herrn gedacht. In insgesamt zwölf ausfĂŒhrlichen Lesungen hört man die Passionsgeschichte vom letzten Abendmahl ĂŒber die Abschiedsworte Christi an die zukĂŒnftigen Apostel bis hin zu seinem Kreuzestod. In den sogenannten Königlichen Horen am Freitagvormittag wird in Schriftlesungen und hymnischen GesĂ€ngen noch einmal die Leidensgeschichte Christi vergegenwĂ€rtigt. Die Vesper am Freitagnachmittag gilt der VergegenwĂ€rtigung der Grablegung des Herrn. Ein mit dem Bild des Leichnams Christi besticktes Grabtuch wird in einer Prozession durch die Kirche zum symbolischen Grab getragen, das in der Mitte der Kirche errichtet ist. Hier soll die Grablegung Christi durch Nikodemus und Josef aus ArimathĂ€a versinnbildlicht werden. Der Priester geht mit dem Evangelienbuch unter dem von vier Altardienern erhobenen Grabtuch durch die Kirche. Das Evangeliar verweist dabei auf das fleischgewordene Wort Gottes, das nun zu Grabe getragen wird. Die GlĂ€ubigen werfen sich in großen Metanien nieder vor Gott und seinem Kreuzesopfer.
Die rituellen Handlungen sind keineswegs weniger dramatisch als in der Karfreitagsliturgie der Westkirche. Und doch ist hier, in der byzantnischen Karfreitagsliturgie, schon an dieser Stelle stĂ€rker die Gewissheit der heilsbringenden Wirkung der Leidensgeschichte gegenwĂ€rtig. So heißt es etwas in einem Tropar-Hymnus am Heiligen und Großen Freitag: „Als Du, Christus, gekreuzigt wurdest, wurde die Gewaltherrschaft getilgt, zertreten die Kraft des Feindes. Weder ein Engel, noch ein Mensch, sondern Du selbst, Herr, hast uns erlöst. Ehre sei Dir! Jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Der östliche Karfreitag ist daher weniger eine Trauerfeier als ein Erzittern und Erschauern vor der GrĂ¶ĂŸe des Blutopfers Christi am Kreuz. Die Ostkirche erkennt bereits im Moment des gewaltsamen Todes des Gottessohnes dessen Sieg.
Im Morgengottesdienst am Karsamstag, der Liturgie von der Beweinung des Herrn, also noch vor der Auferstehungsfeier, besprengt der Priester das Grab Christi mit Rosenwasser und will damit die Unverweslichkeit des Lebens symbolisieren. Das Heilige Grab strömt einen Wohlgeruch aus, der Kirche und Kosmos erfĂŒllt. Das, was im Westen in der Heiligen Osternacht geschieht, die Lesungen aus dem Buch Exodus, der Durchzug des Volkes Israels durch das Rote Meer etwa, begeht die Ostkirche bereits am Nachmittag des Karsamstags. WĂ€hrend der Hymne „Steh auf, o Gott, richte die Erde“, streuen Zelebranten und Altardiener Blumen in der ganzen Kirche aus um auf das Leben zu verweisen, dass aus dem Grab Christi hervorgeht.
Blumen vor Emmausdarstellung
Die nĂ€chtliche Feier von Karsamstag auf Sonntag schließlich ist eine reine Jubelfeier. Das Grab wurde geleert, in der Mitte der Kirche, dort wo es sich befand, liegt jetzt blumenumkrĂ€nzt die Auferstehungsikone. Zelebranten und Volk ziehen mit brennenden Kerzen in einer Prozession um die Kirche und singen den Hymnus: „Deiner Auferstehung Christus, Erretter, lobsingen die Engel im Himmel; auch uns auf Erden mach‘ wĂŒrdig reinen Herzens Dich zu preisen.“ Auf dem Weg zurĂŒck in die Kirche wird nun zum ersten Mal das Ostertroparion angestimmt: „Christ ist erstanden von den Toten, im Tode bezwang er den Tod und hat allen in den GrĂ€bern das Leben gebracht.“ In der Kirche begrĂŒĂŸen sich die GlĂ€ubigen mit dem Ruf, „Christus ist auferstanden“, dass das jeweilige GegenĂŒber mit den Worten, „Er ist wahrhaft auferstanden“ erwidert. Dieses energiegeladene, an Hymnen und vielen Gesten der Freude und Versöhnung reiche Auferstehungsfest endet nach etwa vier Stunden mit einem gemeinsamen Agapemahl, das hier, im Kloster, im Speisesaal, in den Gemeinden ĂŒblicherweise in den GemeinderĂ€umen der Kirchen gehalten wird.
Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!

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