GEHORSAM

Vor einigen Wochen ist hier im NotizblĂ€ttchen ein Beitrag ĂŒber die alt-katholische Konfession als sakramentale Notgemeinschaft erschienen und einige Zeit spĂ€ter war der Text dann plötzlich wieder futsch! Was ist passiert?

Kurz nach Veröffentlichung hatte ich von unserem Pfarrer eine Mitteilung erhalten, in der er deutlich seine Missbilligung zum Ausdruck brachte und mich sehr nachdrĂŒcklich darum bat, den Beitrag zu entfernen oder doch erheblich zu verĂ€ndern. Im Kern zielte seine Kritik darauf, dass hier eine ganz bestimmte Person zu identifizieren gewesen – und die oder der Betreffende möglicherweise erheblich verletzt worden wĂ€re. Ich musste unserem Pfarrer recht geben. Es war fĂŒr mich also ĂŒberhaupt kein Problem, den Beitrag zu löschen und dadurch möglicherweise Schlimmeres zu verhindern. Die Crux dabei:
Ich hĂ€tte den Text auch dann entfernen mĂŒssen, wenn ich mich der Auffassung unseres Pfarrers nicht hĂ€tte anschließen können.

Warum?

Unser Pfarrer hatte mich hier nicht als Privatperson sondern als ein Mitglied der Kirche (mit kirchlichen Funktionen) angesprochen und auch der Pfarrer selbst hatte nicht als Privatperson sondern als ein in der apostolischen Sukzession stehender ReprĂ€sentant der Kirche und – unserer katholischen Überzeugung nach (hoffe ich doch) – daher quasi als Sachwalter Christi in der Gemeinde gesprochen. Wir Christen aber sind seiner Kirche gegenĂŒber, die wir Katholiken ja als Seinen Leib und uns als dessen Glieder betrachten, zu Gehorsam verpflichtet, denn die Kirche ist Seine ReprĂ€sentanz und die ReprĂ€sentation seiner Herrlichkeit in der Welt.

Ich sehe jetzt schon wieder manchen Alt-Katholiken die Stirn runzeln: „Das ist doch altmodisch“. Ja genau: die Kirche ist altmodisch, sie entzieht sich den flĂŒchtigen Moden und Marotten des Zeitgeistes – und genauso muss es auch sein, denn sie stellt etwas viel GrĂ¶ĂŸeres und alle Zeiten und Moden Überspannendes dar.

Als SpĂ€t-Achtundsechziger hat es mich selbst bei dem Wort „Gehorsam“ vor einigen Jahren noch geschĂŒttelt. Im Diskurs der Achtundsechzigerbewegung wurde der Begriff „Gehorsam“ gleichgesetzt mit Kadavergehorsam gegenĂŒber selbsternannten AutoritĂ€ten, als moralischer Imperativ zur Unterordnung und Akzeptanz der Repressionsagenturen: Staatsapparat, Institutionen, wirtschaftliche Machtinstanzen und Ausbeutung. Gehorsam als moralischer Imperativ war und ist in diesem Diskurs zuvorderst die innere ReprĂ€sentanz der Ă€ußerlichen UnterdrĂŒckungsapparate und damit das Gegenteil von Freiheit. Dem Gehorsam wurde die Aufforderung zur Rebellion entgegengesetzt.

Auch wenn außer einigen Soziologieprofessoren und Alt-Achtundsechzigern kaum noch jemand etwas von der Genealogie der Gehorsamskritik weiß, so ist der Begriff heute doch umfassend negativ konnotiert. Die Achtundsechziger waren erfolgreich: Gehorsam ist heute völlig old-fashioned und uncool. Allerdings hat das mit Emanzipation, wie es viele Achtundsechziger anstrebten, auch kaum noch etwas zu tun. Denn das, was sie dem Gehorsam entgegensetzten, die Rebellion, ist schnell zu einer Ware, zu einem Label, zu einem Konsumtionsverhalten verkommen. Mit der Demontage des Gehorsambegriffes ist die angestrebte Freiheit selbst zur inhaltsentleerten Warenform herunter gebrochen worden. So wĂ€re es meiner Meinung nach an der Zeit, den Freiheitsbegriff selbst neu zu artikulieren und damit auch den Begriff des Gehorsams als ein Element der Freiheit neu zu bestimmen, beziehungsweise ihn aus christlicher Perspektive in seiner ursprĂŒnglichen Bedeutung zu rekonstruieren.

Okay, ich will hier jetzt mal auf dem Teppich bleiben und nur kurz noch einige Hinweise geben.

Wo Freiheit als Freiheit verstanden wurde und wird, sich alles zu nehmen beziehungsweise anzueignen, wonach einem aktuell der Sinn steht, Sex, Naturressourcen, Geld, Einfluss, den Rausch flĂŒchtiger GenĂŒsse, Macht, da fĂŒhrt das zu Leid und menschlichen Katastrophen. Unsere Gesellschaft krankt an einem Zuviel an hedonistischer Freiheit und an einem Zuwenig an MitgefĂŒhl, Verantwortung und auch Gehorsam. Die Rebellion hat mittlerweile ihre eignen Kinder gefressen.

Die umfassendste und beglĂŒckendste Erfahrung, von der uns etwa mystisch inspirierte Menschen berichten, ist der Erfahrung der Ganzheit, des Einssein mit der ganzen Schöpfung. Die umfassendste Freiheit ist daher wohl ein Leben in spiritueller Hingabe an das Göttliche, die Suche nach der NĂ€he Gottes, der in allem, durch alles und ĂŒber allem ist. Die umfassendste Freiheit ist also in Leben in Hingabe und Liebe, so wie Christus es gelehrt hat. Dahin gelange ich nicht, wenn ich nur oberflĂ€chlichen GenĂŒssen hinterher jage, Sex, Rausch und stĂ€ndig neuen Kicks. Dahin gelange ich wahrscheinlich nur durch Disziplin, Übung und wohl auch Gehorsam. Ich denke, dass ist einer der wesentlichen GrĂŒnde fĂŒr die große Bedeutung des Gehorsams in der monastischen Tradition.

Noch einmal zurĂŒck zum Ausgangspunkt: Vor diesem Hintergrund fĂŒhle ich mich gegenĂŒber der Kirche Christi zu Gehorsam verpflichtet Ich meine damit die apostolische und katholische Kirche als Ganzes und nicht lediglich die altkatholische Konfession, der ich angehöre. Aber wenn der Priester, als ReprĂ€sentant der Kirche in der Gemeinde, fĂŒr die Kirche spricht, dann handelt er meiner katholischen Überzeugung nach Ă€hnlich wie in der Liturgie und bei der Spendung der Sakramente in persona Christi. Und das verpflichtet mich ihm gegenĂŒber zu Gehorsam. Nicht ihm gegenĂŒber als Privatperson, seinen privaten Meinungen kann ich mich anschließen oder es lassen, darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, was er als ReprĂ€sentant der Kirche tut. Und als solcher hat er in der skizzierten Situation von mir verlangt, die Veröffentlichung eines Beitrages zum Thema Konfessionswechsel zu entfernen. Also habe ich das selbstverstĂ€ndlich getan!

Nachtrag: Gilt diese Gehorsamspflicht immer?
Nein. Sie gilt dann nicht, wenn der Geistliche beziehungsweise die Geistlichen offensichtlich gegen die Tradition, Schrift und Lehre der Kirche oder gegen das Prinzip der HumanitĂ€t sprechen oder handeln. Dann mĂŒssen wir davon ausgehen, dass sie nicht fĂŒr die Kirche sprechen. Dann sind wir quasi einem ĂŒbergeordneten Gehorsam gegenĂŒber der Kirche verpflichtet, die dann den Ungehorsam in einem speziellen Fall einschließt. Auf dieses Prinzip haben sich im 19. Jahrhundert die Altkatholiken berufen und damit die Entstehung der altkatholischen Konfession begrĂŒndet. Das hatte etwas fĂŒr sich.

Nicht darauf berufen können sich die Altkatholiken jedoch meiner Meinung nach, wenn es um Frauenordination oder Homoehe geht. Denn hier sind sie es, die sich nach Auffassung der Kirche gegen Schrift und Tradition wenden. Die Lehre der Kirche in ihrer großen Mehrheit – also in der römisch-katholischen sowie den ostkirchlichen Konfessionen – ist hier eindeutig. Daher könnten solche Fragen meiner Meinung nach auch nur gesamtkirchlich neu beantwortet werden. FĂŒr so etwas mĂŒsste es ein gesamtkirchliches Konzil geben.
Wie? Das ist unrealistisch? Ich erinnere mich da an einen linken Spruch aus meiner Jugend: „Let’s be realistic, try the impossible!“

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