Die Steuer, der Präsident, die Reichen und die Armen

Es werden satt aufstehen, die arm und hungrig sind;
die Reichen müssen gehen, ihr Gut verweht im Wind.

(GL 261 – Marie Luise Thurmair – nach dem Magnifikat)

Hierzulande ist man es ja nicht mehr gewöhnt, dass sich als irgendwie links von der Mitte verortende Politiker oder Parteien auch wirklich linksverdächtige Politik betreiben. Falls das doch einmal passiert, werden die Betreffenden schnell mit dem Linkspopulismus-Etikett versehen und aus dem herrschenden Diskurs ausgeschlossen. Damit erledigt sich die Sache in Deutschland meistens von selbst. In unseren westeuropäischen Nachbarländern indes ist man linksorientierte Politik noch eher gewöhnt, oder doch zumindest den linken Diskurs. Okay, in der Praxis wird auch dort meistens nicht viel draus. Da ist schnell ein deutscher Bundeskanzler oder eine deutsche Bundeskanzlerin vor. Aber wenn es dann doch mal soweit kommt und jemand sich anschickt, linke Wahlversprechen in die Tat umzusetzen, ist das Erschrecken auch hierzulande groß. So beispielsweise im Fall der vom französischen Präsidenten François Hollande vor kurzem forcierten sogenannten Reichensteuer: mit 75 Prozent sollten alle Einkommen über 1 Millionen Euro zukünftig vom Fiskus abgeschöpft werden. Große Aufregung!  Und als der französische Schauspieler Gérard Depardieu dann noch ankündigte, mit seinem Zaster nach Russland zu verschwinden, hatte man wieder mal das richtige Thema. Reiner Populismus. Nein, nicht seitens Gérard Depardieus, sondern seitens des französischen Staatspräsiden natürlich: „Ziemlich erbärmlich finde ich persönlich eher, aus rein populistischen Gründen eine konfiskatorische Steuer erheben zu wollen, deren fiskalischer Nutzen mehr als zweifelhaft und deren ‘Moralität’ die von Wegelagerern ist.“ Soweit der Blogger „Morgenländer“, den ich im Übrigen schon aufgrund der täglichen Dosis an wunderbarer Musik, die er seinen Lesern (und Hörern) in der Regel jeweils am Morgen und am Abend ans Herz legt, sehr schätze. Hier haben wir aber einen kleinen Dissens: Progressive Steuern findet der Morgenländer ungerecht, sie seinen ein Übel, „mag sein ein notwendiges (und sei es auch nur, um die Raubgelüste der vermeintlich zu kurz gekommen zu dämpfen), aber ein Übel dennoch“.

Die Raubgelüste der vermeintlich zu kurz gekommenen. Damit meint er wahrscheinlich nicht jene Investmentbanker, die zum Dank für ihre Milliardenpleiten, die sie dem Fiskus aufgebürdet haben, auch noch selbst einige Millionen an Boni einstreichen. Dass er den Niedriglohn-Jobber meint, der trotz 10 Stunden Arbeit am Tag noch mit Hartz 4 aufstocken muss, wollen wir mal nicht hoffen und auch nicht böswillig unterstellen. Aber irgendwie, finde ich, ist der gute Morgenländer da noch eine Erklärung schuldig. Wie auch immer: er und auch andere finden es ungerecht, das hart arbeitende Millionäre von ihrem sauer verdienten Reichtum nun auch noch progressiv besteuert werden, damit das Geld dann an die vermeintlich zu kurz gekommenen – Sozialleistungsempfänger? – verschleudert oder andere soziale Belange damit finanziert werden können.

Leute, die über eine Millionen Euro verdienen, arbeiten nicht mehr selbst, sondern lassen arbeiten, habe ich neulich mal irgendwo gehört: Mit der eigenen Hände Arbeit ließe sich niemals soviel Geld verdienen.  Na ja, die Investmentbanker mit einem solchen oder höherem Einkommen, die mehr als 10 Stunden täglich an den virtuellen Finanzmärkten dieser Welt auf den Beinen sind, werden sich bestimmt als hart arbeitende Menschen sehen. Ob sie es sind, darüber ließe sich ja streiten. Wenn die Resultate von Arbeit nicht nur durch einen persönlichen sondern auch durch einen volkswirtschaftlichen Nutzen definiert sind, wohl eher nicht. Aber wie auch immer: Menschen mit einem solch hohen Einkommen befinden sich immer an den Schaltstellen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht, sie können die Bedingungen, unter denen produziert und verteilt wird, wesentlich mitbestimmen, und tun das in der Regel zu eigenem Nutzen. Das soll kein moralisches Werturteil sein, wir würden es vielleicht auch so machen.  Einmal ganz davon abgesehen, dass ein Großteil des Reichtums in Deutschland in den Händen von Personen liegt, die allein aufgrund ihrer Herkunft zu diesen Reichtum gekommen sind, ohne dafür je einen Finge zu rühren.

Die progressive Besteuerung solcher Einkommen und Reichtümer ändert daran nichts, sie macht die Reichen nicht spürbar ärmer, sie führt lediglich zu einer etwas gerechteren Form der Verteilung. Finde ich! Oder ist es etwa nicht gerechter, dem Investmentbanker in Relation zu seinem Einkommen etwas mehr wegzunehmen als dem armen Niedriglohnjobber. Das ist doch eine alte Forderung der Linksradikalen, warnt der gute Morgenländer; ein „Meilenstein auf den Weg zum Kommunismus.“ Der Kommunismus ist bekanntlich kläglich gescheitert, und der, den wir kannten, wohl auch zu Recht. Aber wird der Kommunismus da nicht zu einem roten Humunkulus gemacht, mit dem all jene erschreckt werden sollen, die meinen, es müsste doch eigentlich irgendwie sozialer zugehen. Kommunismus HUUAHH. Und was sagt uns das über den Banker und den Jobber? Gar nichts! Oder nein halt, vielleicht doch. Als es den – sogenannten – “Kommunismus” noch gab, gab es im Kapitalismus noch keine Niedriglohn-Jobber und Hartz 4-Aufstocker.

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