Sollen Christen wählen?

Ein Kreuz auf dem Wahlzettel

Der Countdown läuft. Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Viele hadern noch mit ihrer Wahlentscheidung. Sollen wir als Christen überhaupt wählen? In dem evangelikalen Weblog bibelparxis.de wird die Auffassung vertreten, dass diese Welt „unter dem Gericht Gottes steht“ und daher nicht mehr reformierbar ist. Christus wird sein Urteil über diese gottfeindliche Welt ausführen, die Frage sei nicht ob sondern lediglich wann: „Ein unter dem Verurteilungsurteil Gottes stehender Staat wird Gottes Gebote nie ernst nehmen, weil er ein Gott-feindliches System ist – sonst würde Gott kein Gericht üben.

Für einen Christen sei jede Wahlempfehlung und auch jede Wahl obsolet, denn Gott werde in Zukunft über die Welt richten und eine gottesfürchtige Regierung einsetzen. Christen, so heißt es weiter, seien Himmelsbürger und gehören nicht mehr zu dieser Welt. Darum sollten Wahlen für den gläubigen Christen auch keine Bedeutung mehr haben. Stattdessen müssten Christus und der Himmel unser Herz gefangen nehmen.
Eine ganz andere Empfehlung geben uns die protestantischen Autoren der christlichen Website gotquestions.org. Es sei die Verantwortung und Aufgabe eines jeden Christen zu wählen und dabei solchen Kandidaten die Stimme zu geben, „die die christlichen Prinzipien am besten verkörpern“. Denn die Wahl sei eine Gelegenheit, eine christliche Regierung zu fördern, „zu schützen und zu erhalten“. Nun ja, um eine christliche Regierung zu erhalten, müsste es zunächst einmal eine geben, die ihre Politik an christlichen Maßstäben ausrichtet. Die Ampelregierung dürfte davon recht weit entfernt gewesen zu ein.
Die GotQuestions-Autoren beschreiben es jedenfalls als Bürgerpflicht, aufzustehen und die Gute Nachricht auch durch die Teilnahme an den Wahlen zu verbreiten, in dem wir unsere Stimme für eine christlich orientierte Politik abgeben. Einen ähnlichen Tenor hat von katholischer Seite auch der Aufruf zur Wahl des Pfarrverbandes Waldkirchen im Bistum Passau.
Ob man sich nun der Auffassung von bibelpraxis.de anschließt oder in der Verantwortung für eine christlich orientierte Wahlentscheidung sieht, muss jeder und jede für sich persönlich entscheiden. Ich neige zu letzterer Auffassung. In vergangenen Jahrhunderten hatten Christen keine Wahl. Sie konnten lediglich für eine gerechte, gütige und christliche Regierung beten. Das hat sich geändert und wir Christen sollten das Wahlrecht nutzen, um das Beste daraus zu machen.

Wenn ja, wen?

Für die Wahlentscheidung von Christen gibt es dabei einige Prüfsteine, wiewohl diese beim heutigen Zustand der Kirchen wohl leider nicht unumstritten sind. Als einziges Kriterium, sowohl bei den evangelischen Landeskirchen als auch bei der Bischofskonferenz der römisch-katholischen Kirche in Deutschland, scheint zu gelten: Niemals AfD! Nun kann man die AfD zu Recht kritisieren aufgrund der von bestimmten Mandats- und Funktionsträgern vorgetragenen Positionen, welche beispielsweise deutsche NS-Vergangenheit verharmlosen. Ohne Frage. Aber allein ein AfD-Bashing scheint meines Erachtens wenig substanzreich für die Formulierung christlicher Kriterien für eine Wahlentscheidung zu sein. An dieser Stelle wird wohlgemerkt weder zur Wahl einer Partei geraten noch von ihr abgeraten. Es geht vielmehr um die Frage, worüber wir uns als Christen Gedanken machen sollten.

Kampfansage gegen das Christentum

In seinem 2024 erschienenen Buch „Der Westen im Niedergang“ schreibt der französische Philosoph Emmanuel Todd, dass mit der Einführung der „Ehe für Alle“ dem Ende des Christentums ein symbolisches Datum gegeben werden könne. Für England markiert er dieses Ende auf das Jahr 2014. In Deutschland stimmte der Bundestag 2017 für die Einführung gleichgeschlechtlicher „Ehen“ (Todd 2024: S. 191). Sie ist, folgen wir Todd, eine Kampfansage gegen das Christentum und ein lange gehegter Traum des Wokismus, nach eigenem Selbstverständnis eine Bewegung gegen jede Art von Diskriminierung. Gegen die Beseitigung von Diskriminierung wäre zunächst nichts einzuwenden. Doch unter Diskriminierung verstehen die Anhänger dieser Ideologie jedoch auch die Feststellung, dass es nur zwei biologische Geschlechter, nämlich Mann und Frau, gibt, dass man nicht schon minderjährigen Kindern einreden solle, sie seien möglicherweise im falschen Geschlecht geboren und könnten dieses nach Belieben ändern, oder dass eine Ehe nach christlichem Verständnis aus der Verbindung von Mann und Frau besteht. Wie wir wissen, haben sich diese „woken“ und identitätspolitischen Positionen inzwischen weitgehend durchgesetzt: in den großen Medien, in der Politik, im Wissenschaftsbetrieb, in den Verwaltungen und leider auch in weiten Teilen der beiden großen Kirchen. Mit den ursprünglichen, in Schrift und Tradition fundierten Positionen des Christentums hat das allerdings nichts mehr zu tun. Vielmehr hat diese Ideologie dem traditionellen Christentum auf vielen Ebenen den Krieg angesagt. Gleichzeitig versucht sie, bisher zum Teil erfolgreich, die Kirchen auf ihre im Kern antichristlichen Positionen einzuschwören. Für traditionsorientierte Christen bedeutet das, dass Parteien, die auf diese Ideologie eingeschwenkt sind oder sie gar aktiv durchgesetzt haben, keinesfalls wählbar sind! Das Gleiche gilt für Programme, in denen ein sogenanntes „Recht auf Abtreibung“, sprich die vorgeburtliche Ermordung von Kindern, oder die Legalisierung der Leihmutterschaft, der Herabwürdigung von Frauen zu käuflichen Gebärobjekten, gefordert wird. Für Christen ist so etwas unwählbar, obwohl diese Feststellung von den Protagonisten der sich selbst als progressiv verstehenden Kirchenleitungen und deren Anhängerschaft leider nicht geteilt wird. Dennoch: Bis hierhin ist die Sache für traditionsorientierte Christen eindeutig.

Migrationspolitik

Schwieriger wird es schon bei der christlichen Bewertung der derzeitigen Migrationspolitik. Es sollte doch selbstverständlich sein, verfolgten und schutzsuchenden Menschen zu helfen und sie in unserem Land aufzunehmen. In der Tat. Indes hat sich in den vergangenen zehn Jahren gezeigt, dass die Aufnahme von Hunderttausenden, zumeist aus muslimischen Ländern nach Deutschland kommenden Menschen, eine wachsende Gefahr für die innere Sicherheit bedeutet. Messerangriffe, Attentate mit Toten und Hunderten Verletzten, Gruppenvergewaltigungen und das zunehmende Gefühl, nicht mehr sicher zu sein, nicht mehr unbeschwert auf Weihnachtsmärkte und andere größere Veranstaltungen gehen zu können – das ist ein neues Phänomen und Folge der weit geöffneten Grenzen. Darüber hinaus weisen beispielsweise Migrationsforscher wie Ruud Koopmans von der Humboldt-Universität in Berlin darauf hin, dass es häufig gar nicht die Bedürftigsten sind, die es nach Deutschland respektive Europa schaffen, sondern die Jüngsten und Stärksten und jene, die das viele Geld für die gefährliche Reise nach Europa aufbringen können. Koopmans fordert daher eine Abkehr vom bisherigen Asylsystem, ohne dabei den Anspruch aufzugeben, wirklich Bedürftigen und Verfolgten zu helfen. So gesehen ist das derzeitige Migrationssystem eher kontraproduktiv. Es gefährdet zunehmend die Bevölkerung dieses Landes, fördert die Ausbreitung islamischer und christenfeindlicher Ordnungsvorstellungen, Rechts- und Lebenspraxen, schafft ein allgemeines Gefühl der Bedrohung, überfordert die Infrastruktur und die Aufnahmekapazität von Bund, Ländern und vor allem Gemeinden, bringt die Sozialsysteme an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit, ist dabei noch nicht einmal sehr effektiv für den Schutz besonders schutzbedürftiger Menschen, verändert den christlich-säkularen Charakter der westlichen Gesellschaften und führt zur verstärkten Spaltung der Gesellschaft. Aus diesen Gründen sollten Christen sich in Acht nehmen vor Programmen, die unverändert an dem derzeitigen Migrationsregime und der Masseneinwanderung festhalten wollen.

Frieden, Soziale Gerechtigkeit und … Israel

Selbstverständlich ist, dass Christen sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen und eine Ellenbogengesellschaft ablehnen sollten. Das Gleiche gilt für einen gerechten Frieden. Bellizistische Tendenzen, die Forderung nach immer mehr Rüstung und nach Lösung von internationalen Konflikten mit militärischen Mitteln, sind tendenziell unchristlich. Hier ist gleichsam darauf hinzuweisen, dass die militärische Verteidigung Israels eine Notwendigkeit ist, um den israelischen Staat überhaupt erhalten zu können und einen erneuten Massenmord an Juden zu verhindern. Was passiert, wenn die israelische Verteidigungsfähigkeit und Wachsamkeit nachlässt, wurde der Welt am 7. Oktober 2023 auf brutale und mörderische Weise veranschaulicht. Christen sollten sich immer auch verantwortlich fühlen für Israel, das biblische Volk Gottes. Gott hat das Volk Israel erwählt. Das ist und das bleibt so, wie der heilige Apostel Paulus etwa in Römer 11,28 zum Ausdruck bringt, bei aller Kritik an Israel aufgrund der ablehnenden Haltung zum Evangelium.
Man sieht, wir Christen werden es schwer haben am 23. Februar. Aber wie weiter oben bereits gesagt: Nichtwählen ist auch keine Lösung, denn dann wählen wir jene, die wir auf keinen Fall wollen! Und das wollen wir doch nicht!

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"In eben jener katholischen Kirche selbst ist mit größter Sorgfalt dafür zu sorgen, dass wir halten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich und wahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund der Sache erklären, alle insgesamt umfasst."
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