Im Zusammenhang mit dem Rücktritt Papst Benedikts XVI. von seinem Amt hat sich wohl nicht nur mir die Frage gestellt, inwieweit solch eine Position überhaupt einen Rücktritt zulässt. Oder anders formuliert: Natürlich vermag ein Papst zurückzutreten, aber bleibt er dadurch nicht trotzdem Papst. Auch Bischöfe – an deren Spitze der Papst in der (römisch-) katholischen Kirche als Pontifex Maximus, oberster Brückenbauer, steht – können zwar von der Amtsausübung zurücktreten, verlieren als geweihte Amtsträger in der Kirche aber doch nicht ihre Bischofswürde. Sie bleiben Bischöfe, die ihr Amt nicht mehr ausüben. Ebenso bleibt ein Papst doch wohl Papst, der sein Amt nicht mehr ausübt, ein emeritierter Bischof von Rom gleichsam. Bedeutet das, dass es mit der Neuwahl zwei Päpste gibt: einen, der das Amt aktiv innehat und einen anderen, der auf die dem Amt innewohnenden Rechte und Pflichten verzichtet, sie aber gleichwohl – rein theoretisch natürlich, jederzeit wieder aufnehmen könnte!? Und was könnten sich daraus, rein theoretisch, für kirchenpolitische Probleme ergeben. Ist dieser Gedanke zu abstrakt? Sehr wahrscheinlich, denn Papst Benedikt XVI. gilt als bedachter, gewissenhafter und auch analytisch denkender Mensch, der sich mit möglichen Komplikationen, die seine Entscheidung kirchenpolitisch auslösen könnte, sicher intensiv auseinandergesetzt hat.
Die Begründung dieses für ihn offenkundig notwendig gewordenen Schrittes hat der Papst am jenem Rosenmontag den 11. Januar 2013 in seiner Ansprache vor den Kardinälen erläutert, wiewohl Einiges den Nicht-Lateinern vielleicht hinter den lateinischen Sätzen verborgen geblieben ist, wie der Historiker Michael Stürmer auf welt.de erklärt.
Er hat einen sehr interessanten Satz hineingefügt, den man wohl im ursprünglichen Latein nur voll verstehen kann. Er hat gesagt, das die Welt von so viel widerstreitenden Kräften zerrissen wird, dass er nicht die Kraft hat, sie wieder zusammen zu setzen. Das ist natürlich eine Anspielung in der lateinischen und griechischen Kirchensprache auf den diabolus, den Teufel“, und Διάβολος heißt im Griechischen nichts anderes, als alles durcheinander werfen. Das heißt, hier ist die Welt des Teufels, und die Kräfte, seines, des Papstes Kräfte, reichen nicht aus, um die Welt vor den teuflischen Kräften zu bewahren.
Einige der Ultra-Aufklärer werden dabei wieder die Nase rümpfen und sich darin bestätigt sehen, dass die Kirche und ihre Würdenträger eben doch noch immer in mittelalterlichen Kategorien dächten. Aber nur ein kurzer Blick auf die derzeitige Weltsituation reicht aus, um die Sache etwas anders zu betrachten: Kriege auf allen Kontinenten, Wirtschafts- Währungs- und Kapitalkrisen im Westen, ethnische Spannungen allenthalben, ein zu äußerster Gewaltbereitschaft neigender Extremismus, Verlust ethischer Orientierungspunkte, Verunsicherung und auf der anderen Seite ein ungebremster Hedonismus der Besitzenden, Mächtigen und ihres Personals. Kein Zweifel, in dieser Welt wirken destruktive Kräfte. Sie ist verstärkt zentrifugalen Kräften ausgesetzt, zunehmende räumliche Verdichtung hier, wachsende soziale Spaltung und Verlust von Orientierungen da. Es gibt Grund genug, an der Welt zu verzweifeln. Papst Benedikt XVI. hat es wohl als Aufgabe der Kirche und mithin wesentlich auch als seine eigene angesehen, hier einen Ausgleich zu schaffen und er hat sich eingestehen müssen, dass seine Kräfte dazu nicht (mehr) ausreichen. So gesehen, war sein Rücktritt ein konsequenter Schritt.
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