Papst Franziskus: “Nahezu bis ans Ende der Welt”

„BrĂŒder und Schwestern, guten Abend. Wie ihr wisst, war es die Pflicht des Konklaves, Rom einen Bischof zu geben. Wie es scheint, sind meine KardinalsbrĂŒder nahezu bis ans Ende der Welt gegangen, um ihn zu bekommen.” So unprĂ€tentiös lauteten die ersten SĂ€tze, mit denen sich vorgestern der frisch gewĂ€hlte Papst Franziskus – mit bĂŒrgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio – den Menschen auf dem Petersplatz und allen ĂŒbrigen, die das Geschehen vor den TV-Bildschirmen verfolgt haben, vorstellte. Die Medien und Kommentatoren haben damit vorlĂ€ufig wieder ein neues Thema: Was sagt dieser insgesamt bescheidene und demutsvolle erste Auftritt des neuen Oberhaupts der Katholiken ĂŒber seine Eigenschaften und ĂŒber mögliche Schwerpunkte seines zukĂŒnftigen Pontifikats aus? In der kurzen Phase der Sedisvakanz nach dem RĂŒcktritt Papst Benedikts XVI. wurden dem Vatikan bekanntlich etliche Wunschzettel fĂŒr den Neuen an die TĂŒr geheftet: Frauenordination, Abschaffung des Pflichtzölibats, Akzeptanz von Ehen gleichgeschlechtlicher Paare und dergleichen Anliegen mehr sind via Internet, Funk, Fernsehen und Presse bereits ĂŒberreichlich an der neuen Pontifex herangetragen worden. Die Papstwahl indes ist kein Jahrmarkt individueller BedĂŒrfnisse und Befindlichkeiten und aus diesem Grund auch habe ich mich an dieser Stelle mit solcherart Äußerungen zurĂŒckgehalten. Aber natĂŒrlich habe auch ich meine Vorstellungen, was fĂŒr ein Papst denn in Zukunft die Geschicke der Weltkirche lenken solle. Ich wĂŒnschte – und wĂŒnsche – mir jemanden, der an die BemĂŒhungen Benedikts XVI. anknĂŒpft, den Akzent in der katholische Kirche insbesondere auf das Element der Gottsuche zu setzen und die Bedeutung der Kirche als einen mystisch sakramentalen Raum zu betonen, in dem der Mensch seine Beziehung zu Gott gestaltet, die Kirche also, wie Papst Benedikt es formuliert hat, zu entweltlichen. Gleichzeitig hoffe ich, dass der neue Papst seine Finger auf die Wunden einer Weltordnung legen wird, die strukturelle Ungleichheit und Zerstörung produziert: eine ungerechte Verteilung von Reichtum, die Verarmung vieler Menschen, Kriege und Umweltkatastrophen, die Verdinglichung von Ressourcen, die Verdinglichung der sozialen Beziehungen, der Produkte menschlicher Arbeit und der ganzen Schöpfung. Um eben so die SolidaritĂ€t mit den Opfern dieser Weltordnung zu intensivieren und ihnen in ihren Anliegen den RĂŒcken zu stĂ€rken. Leicht gesagt, jedoch sehr viel verlangt. Vielleicht aber ist es gerade ein Papst aus Lateinamerika, dessen Wirken zumindest tendenziell in diese Richtung zielen könnte. Seine Namenswahl und sein erster Auftritt am Abend nach der Enklave jedenfalls stimmen mich hoffungsvoll.

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