Zum Tod von Keith Emerson
Wenn ein Idol aus Jugendjahren das Zeitliche segnet, so fühlt sich das ein bißchen an, als ginge ein Stück der eigenen Welt unter. So war mir jedenfalls heute morgen zumute, als ich vom Tod Keith Emersons hörte.
Die coolen Sounds von Emerson, Lake and Palmer gehörten damals in den 1970er-Jahren zu den absoluten Favoriten von mir und meinem damaligen Freund Kurt, der ein lebensgroßes Poster von Keith Emersonen an den Tasten in seinem Kellerzimmer hängen hatte. Einer unserer größten Wünsche damals war, einmal ein Live-Konzert der Band zu erleben. Und irgendwann spielte die dann wirklich in unserer nahegelegenen norddeutschen Landeshauptstadt. 40 Mark kostete die Karte. 40 Mark, ein Vermögen. Und außerdem brauchten wir damals noch das Plazet unserer Eltern für solche Unternehmungen. Wir verschoben das Ganze auf ein anderes Mal. Zumindest ich bin nie in ein Emerson, Lake and Palmer Konzert gekommen. Von Kurt weiß ich es nicht.
Wenn wir sie schon nicht live hören konnten, dann spielten wir Emerson, Lake and Palmer wieder und wieder auf unseren Plattenspielern, ich für meinen Teil in der von meinen Eltern geerbten alten Musiktruhe. Die schepperte schlimmer als Keith Emersons Moog-Synthisiser.
Die Band war für uns jedenfalls das Coolste, was es zu der Zeit gab. Irgendwie passten Emersons synthetische Klangkluster, die er mit riesigen Tastenanlagen elektronisch erzeugte, in diese technikaffine Zeit. Eine Zeit, die gerade die ersten Mondlandungen hinter sich und das anbrechende Computerzeitalter vor sich hatte. Emerson, Lake and Palmer, das war die musikalische Antwort der Siebziger auf Scott Mckanzies Hippieromantik der verflossenen sechziger Jahre. Emerson, Lake and Palmers Sound röhrte wie eine Harley Davidson (Gott sei Dank bin ich nie zum Motorradfahrer geworden)und explodierte wie die Attacken der Stadtguerilla in die saturierte Welt des anbrechenden Postfordismus. Emerson, Lake and Palmers Sounds, das waren musikalisch-synthetische Monumentalgebilde, irgendwie Krieg für die Ohren einerseits und reine Poesie andererseits – und oftmals beides gleichzeitig.
Mir persönlich hat der Tasten-Virtuose Keith Emerson den Weg zur Klassik – und vor allem zum Jazz gebahnt. Die mit dem Moog-Synthisziser in KlangrĂĽmpfe zersägten klassischen Werke wie Mussorgskys “Bilder einer Ausstellung” wollte ich dann irgendwann doch auch mal im Original hören – und erkannte eigentlich erst jetzt ihre Schönheit auch in den Interpretationen Keith Emersons wieder.
Als ich schließlich über den Jazzrock der späten Siebziger zum Jazzfan wurde, verstaubten die alten Emerson, Lake and Palmer Platten für die nächsten 30 Jahre im Regal. Erst voriges Jahr habe ich sie wieder entdeckt und sie gleichzeitig ganz neu gehört: vielleicht habe ich erst jetzt die Virtuosität von Emersons Tastenklängen, die Poesie von Carl Palmers auf der akustischen Gitarre begleiteten Balladen und den genialen Kontrast von beidem so richtig verstanden.
Keith Emerson war bestimmt ein fantastischer Künstler. Keine Ahnung, was er sonst für ein Mensch war. Er soll sich erschossen haben, war heute Morgen zu hören und zu lesen. Irgendwie scheint ihn eines der bekanntesten Stücke seiner Band am Ende eingeholt zu haben:
White lace and feathers
They made up his bed
A gold covered mattress
On which he was led
Ooooh, what a lucky man he was
Ooooh, what a lucky man he was
A bullet had found him
His blood ran as he cried
No money could save him
So he laid down and he died
Hoffentlich kommt Keith Emerson in den Pianisten-Himmel!
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