Weinachten ist da. Nur noch weinige Stunden bis Heiligabend. Die zur Zeit meistgestellte Frage lautet wahrscheinlich: „Habe ich auch alle Geschenke beisammen?“ Und vor allem: „Habe ich das Richtige gekauft, werden sich die Beschenkten auch über meine Gaben freuen?“
„Okay“, denken Sie jetzt: „Das läuft hier wohl wieder auf die obligatorische Kritik an der Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes hinaus“. Stimmt, ich gebe es zu. Aber meine Kritik ist origineller als andere. Behaupte ich. Also ruhig weiter lesen!
Was ist denn eigentlich gegen das sich Beschenken einzuwenden?. Es belebt die Wirtschaft: Das Weihnachtsgeschäft macht zwischen 25 und 50 Prozent des Umsatzes im Einzelhandel aus. „Ohne Weihnachten würde das für uns so lebenswichtige kapitalistische System zusammenbrechen und Deutschland müsste Geld von Griechenland ausleihen“, meint Eric T. Hansen von Zeit-Online.
Außerdem bereitet das Schenken neben dem ganzen Einkaufsstress viel Freude. Und nebenher wächst zu Weihnachten mit oder trotz dem ganzen Einkaufsrummel sogar noch die Sensibilität für unsere Mitmenschen und für soziale Missstände hier und anderswo. In der Vorweihnachtszeit wird nicht nur gekauft und konsumiert, was das Zeug hält, sondern auch gespendet und geholfen wie zu keiner anderen Zeit im Jahr. Was soll also das ewige Lamento über die Kommerzialisierung des Festes, das alle Jahre wieder an prominenter Stelle aufgesagt werden muss.
In diesem Jahr war es zum Beispiel der Reggae-Musiker Gentleman, der in der Süddeutschen zu Protokoll gab, dass er immer mehr versuche, diesem „Trubel und dem Rummel zu entkommen“. Eigentlich komisch für jemanden, der doch von Trubel und Rummel lebt. Nun ja, vielleicht ja gerade deshalb. Das, was draus gemacht werde, fände er ziemlich grausam, diesen ganzen „Hardcore-Konsum-Flash“, meint Gentleman. Eigentlich solle man doch jemanden feiern, der da mal geboren wurde und den „Durchblick gehabt hat“. Okay, das ist vielleicht etwas unorthodox formuliert, zielt aber tendenziell in die richtige Richtung. Aber: warum denn nicht die Ankunft Christi, das größten Geschenk, dass die Menschen je erhalten haben, mit dem gegenseitigen sich Beschenken feiern. Um damit zumindest symbolisch etwas von der Freude zu teilen, die Christus durch seine Ankunft den Menschen bereitet hat.
Historisch betrachtet ist die Tradition der Weihnachtsgeschenke ein Erbe der Reformation. Ursprünglich war der 6. Dezember der Tag des Schenkens, denn an diesem Datum wird dem Heiligen Nikolaus von Myra gedacht. Und diesen Heilige hält man insbesondere wegen seiner generösen Art gegenüber Armen und Bedürftigen in Ehren. Daher bekanntlich der Brauch des Schenkens. Weil Luther die Heiligenverehrung ablehnte, wurde der Heilige “durch einen dubiosen Weihnachtsmann ersetzt, der Tag des Schenkens vom 6. Dezember auf den 24. Dezember verlegt. Seitdem ist Weihnachten zwei Feiertage in einem: Der Tag Christi Geburt und eben der Tag des Schenkens“. Luther war hier auf der ganzen Linie erfolgreich.
An Weihnachten feiern wir die Ankunft Christi auf der Erde. Gott hat sich uns damit gewissermaßen selbst geschenkt. Dieses Geschenk ist niemals zu toppen. Daher ist das symbolische Teilen der Freude darüber durch das gegenseitige sich Beschenken zu Weihnachten auch gar kein Problem. Wohl aber, dass sich das Schenken gegenüber seinem Anlass in weiten Teilen vollständig verselbstständigt hat.
Die Verselbstständigung des rein quantifizierbaren Aspekts eines Phänomens gegenüber seiner ursprünglich sozialen und/oder spirituellen Bedeutung ist eine typische Erscheinung des Kapitalismus. Wie sich der Tausch(wert) gegenüber den Gebrauchs(wert)eigenschaften eines Produkts im Kapitalismus fast vollständig verselbstständigt, bis hin zum Warentausch von stofflich gar nicht mehr vorhandenen Werten beispielsweise im Kapitalhandel, so tendiert diese Wirtschaftsform dazu, alles Soziale, Spirituelle und Höhere auf ein rein Dingliches herunter zu brechen. Christen müssten aus diesem Grund eigentlich fundamentale Kapitalismuskritiker sein. Das sie es weitgehend nicht sind, ist nicht nur die Schuld des leidigen Bündnisses von Repräsentanten der Kirche mit den Mächtigen dieser Welt, sondern auch des fatalen und destruktiven Atheismus der Linken. Von den Verbrechen, die im Namen linker Weltanschauungen begangen wurden, ganz zu schweigen.
Auf jeden Fall brauchen wir uns über die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes nicht zu wundern. Sie ist ein Resultat der Herrschaft des Tauschwerts. Aber diese Herrschaft ist nicht absolut. Wenn die Menschen zu Weihnachten in großer Zahl in die Kirchen gehen, dann tun sie das, weil sie einen Verlust erahnen. Es ist der Verlust des Heiligen, das man noch am Heiligen Abend im wahrsten Sinne des Wortes gegen das Profane getauscht hat. Die Menschen sind auf der Suche. Das zeigt nicht zuletzt, dass die Herrschaft des (Tausch)Werts niemals absolut ist. Es bestimmt eben nicht nur das Sein das Bewusstsein. Es ist ebenso die Herrlichkeit Gottes, die (fast) jeder Menschen zumindest als eine Ahnung und ein Sehnen in sich spürt. Insofern auch kratzt jede Kritik an der Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes ein wenig an der Tünche des Kapitalismus, der dazu tendiert, alles Heilige zu profanisieren. Nicht das sich Beschenken ist dabei problematisch, sondern dass es sich gegenüber seinem eigentlichen Sinn, der Freude über das Geschenk Gottes an die Menschen, verselbstständigt hat. Dieses Geschenk ist uns gemacht worden und wir müssen es nur annehmen, indem wir unsere Herzen dafür öffnen. Indem wir zulassen, das Christus gleichsam auch in uns selbst geboren wird: „Wir feiern Weihnachten, auf dass diese Geburt auch in uns Menschen geschieht. Wenn sie aber nicht in mir geschieht, was hilft sie mir dann? Gerade, dass sie auch in mir geschehe, darin liegt alles“, sagt Meister Eckhart
Eric T. Hansen von Zeit-Online meint übrigens, Schenken käme „sehr gut auch ohne Religion aus“. Nee: eben nicht!
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