Als unsere katholischen Altvorderen sich am Ende des 19. Jahrhunderts gezwungen sahen, so etwas wie eine Notkirche ins Leben zu rufen, weil sie sich von ihrer Kirche verstoßen fühlten, da fügten sie der Bezeichnung „katholisch“ ganz bewusst das Adjektiv „alt“ hinzu. In der Utrechter Erklärung aus dem Jahr 1889 hieß es:
„Wir halten fest an dem altkirchlichen Grundsatze, welchen Vincentius von Lerinum in dem Satze ausgesprochen hat: Id teneamus, quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est; hoc est etenim vere proprieque catholicum. (Wir halten fest an dem, was immer, ĂĽberall und von allen geglaubt worden ist; das ist nämlich wahrhaft katholisch). Wir halten darum fest an dem Glauben der alten Kirche, wie er in den ökumenischen Symbolen und in den allgemein anerkannten dogmatischen Entscheidungen der ökumenischen Synoden der ungetheilten Kirche des ersten Jahrtausends ausgesprochen ist.”
Die altkatholischen Väter waren stolz auf das „alt“ vor dem „katholisch“, für sie bedeutete es Traditionsverbundenheit und Standhaftigkeit. Heute hingegen ist dieser Begriff vielen Alt-Katholiken irgendwie peinlich. Etliche Alt-Katholiken sind scheinbar wie die TAZ der Auffassung, der Name sei ein echtes Problem. Alt-katholisch, das dürfe auf keinen Fall falsch verstanden werden, heißt es. Und: Wir sind „jünger, als sie denken“, keinesfalls „verknöchert und verstaubt“, sondern im Gegenteil weltoffen und modern.
„Jung“, „jünger“ „modern“, „weltoffen“, das sind mithin einige der am häufigsten verwendeten Schlagworte alt-katholischer Medienpräsenz. Damit werben ansonsten gern Städte oder auch Privatunternehmen für ihre Vorzüge. Alt-katholische Texte versprühen nicht selten den Charme von Slogans aus den Sprücheschmieden der Werbeagenturen. Katholizität und Spiritualität bleiben dabei leider auf der Strecke.
Proselyten in TĂĽten
Mancherorts wird den Katholiken unserer römisch-katholischen Schwesterkirche in diesem Zusammenhang die „katholische Alternative“ angetragen. Alt(ernativ)katholisch: Proselytenmacherei stand schon immer zu Recht in schlechtem Ruf. Und solche Strategien sind in der Regel (und man muss wohl sagen: zum Glück!) wenig erfolgreich, eher schon werfen sie ein schlechtes Licht auf ihre Urheber. Wir sollten daher aufpassen, dass wir es uns auf diese Art und Weise in der Ökumene, die uns so am Herzen liegt, nicht auf absehbare Zeit ernsthaft verscherzen.
Wir Alt-Katholiken wollen nicht ausgrenzen, aber wir grenzen uns permanent ab. Einer „Alternative“ ist es wesenseigen, dass sie sich zu etwas anderem different verhält. Müssen wir uns auf diese Art und Weise ständig aufs Neue der eigenen Identität versichern?
Mehr Demut jetzt!
Ich denke, mehr Demut, mehr Bezug auf Spiritualität, Kontemplation und Gebet, das würde uns Alt-Katholiken sehr gut zu Gesicht stehen, und das wäre beziehungsweise ist wirklich katholisch, altkatholisch.
Der Trend scheint indes in eine andere Richtung zu gehen: Da gibt es zum Beispiel diese peinliche Jutetasche mit dem Aufdruck: „Verheiratete katholische Priesterin feiert ökumenisches Abendmahl. Fiktion? Realität!“ Eine alt-katholische Geistliche meinte einmal reüssieren zu können, indem sie auf Nachfrage, was den alt-katholisch sei, kurzerhand diese Jutetasche in die Höhe hielt. Und sie bekam Beifall dafür. Der anwesende römisch-katholische Geistliche fühlte sich brüskiert, vielleicht verletzt, und gab seinem Gefühl mit den Worten Ausdruck, dass in diesem Saal ja eine sehr evangelische Stimmung herrsche. Die Ironie dieser Geschichte: Inzwischen ist die Betreffende evangelische Pastorin.
Fischen in fremden Gewässern
Seit Jahrzehnten versucht die alt-katholische Kirche immer einmal wieder in fremden Gewässern zu fischen, indem sie sich dem jeweils herrschenden Zeitgeist andient. Aber weder sind früher die Deutsch-, noch heute die Reformkatholiken in Massen zur alt-katholischen Kirche gestürmt.
Worauf es wirklich ankommt!
Das sollte uns zu denken geben. Meiner Auffassung nach gilt es, sich ganz auf das Gebet, die Kontemplation, die Liturgie zu konzentrieren. Wo wir die Kraft dazu haben, sollten wir uns diakonischen und karitativen Anliegen widmen. Und uns gegen die neoliberalen Zumutungen in der heutigen Gesellschaft wenden, gegen die Verdinglichung und Warenförmigkeit menschlicher Beziehungen. Und damit gegen den Zeit(un)geist.
Darum: Immer schön katholisch bleiben. Evangelische Grüppchen und Gemeinschaften gibt es genug.
Reload
Die alt-katholische Kirche braucht im Prinzip einen spirituellen Reload. Deswegen haben wir in Hannover unsere Kirche übrigens auch auf den Namen St. Maria Angelica geweiht. Wir haben Bezug genommen auf Angélique Arnauld, weil sie aus dem Zisterzienserkloster Port Royal, das im 17. Jahrhundert quasi zu einem besseren Höhere-Töchter-Internat verkommen war, wieder eine geistige Klostergemeinschaft gemacht hat. (Wir haben sie trotz ihrer Nähe zum Jansenismus zur Namensgeberin gewählt, nicht wegen )
Die alt-katholische Kirche Deutschlands in ihrer derzeitigen Verfassung hat streckenweise nur noch bedingt etwas mit der einen ungeteilten Kirche des erstens Jahrtausends gemein, auf die sie sich so gern beruft. Sie muss ihren Weg erst wieder dorthin finden, so wie die Schwestern von Port Royal ihren Weg zurĂĽck zur Klostergemeinschaft gefunden haben (aber diesmal bitte ohne Jansenismus).
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