Das private Bekenntnis ist politisch

Afrikanische Maske
„Das Private ist politisch“ hieß es frĂŒher in der Spontiszene, an deren RĂ€ndern auch ich mich vor Jahren herumtrieb, zum GlĂŒck nie so exzessiv, wie unser frĂŒhrer Verteidigungsminister Fischer, wie ich zu meiner Verteidigung sagen muss. Wie auch immer: Damit war gemeint, dass natĂŒrlich auch die privat genannten Lebensbereiche immer schon Teile eines politisch, sozial und kulturell vorgeprĂ€gten Milieus sind und waren. GeprĂ€gt durch gesellschaftliche Werte und Normen, durch gesellschaftliche MachtverhĂ€ltnisse und durch die sozialökonomischen Bedingungen, in denen sie sich jeweils reproduzieren.

Und da ist ja in der Tat auch was dran: Die Organisation der LebensverhĂ€ltnisse im Privaten wird durch die gesellschaftlich und sozialkulturellen Sitten und Normen geprĂ€gt, so wie diese auch umgekehrt den real existierenden Normen und Werten in einer Gesellschaft ihren Stempel aufdrĂŒcken. Wer etwa wĂŒrde behaupten, dass beispielsweise das neuerliche Recht homosexueller Paare auf Eheschließung beziehungsweise amtlich sanktionierter Partnerschaft nicht ein auch politisch hochbrisantes Thema ist. Soviel zur Vorrede.

Heutzutage erlebe ich es immer wieder, dass die einstigen Apologeten des politisch Privaten beim Thema Religion kurz und bĂŒndig behaupten, dass sei nun etwas rein Privates und könne daher auch nicht Gegenstand einer Auseinandersetzung sein. Da heißt es dann in einem etwas mitleidsvollen Ton: „Wenns denn das Herz wĂ€rmt, glaub was du willst.“ Gottsuche und Gottesglaube wird ruckzuck privatisiert.
Nun will ich daran zumindest soviel gelten lassen, als dass jeder selbst bestimmen muss und auch bestimmen dĂŒrfen soll, fĂŒr welches persönliche Bekenntnis er sich entscheidet. Aber schon das ist politisch. Die Gewissensfreiheit des Einzelnen ist keineswegs etwas SelbstverstĂ€ndliches, sondern eine Errungenschaft in christlich geprĂ€gten und demokratisch verfassten Gesellschaften. In vielen islamischen LĂ€ndern beispielsweise gibt es diese Gewissensfreiheit nicht. Nach dem islamischen Rechtssystem, der Scharia, ist etwa der Abfall vom Islam, die Apostasie, ein Verbrechen, dass in manchen LĂ€ndern sogar mit dem Tod bestraft wird. Insofern also die Religion ein ganz bedeutender sozialkultureller Faktor ist, der die jeweiligen gesellschaftlichen und sozialen LebensverhĂ€ltnisse wesentlich prĂ€gt, ist sie natĂŒrlich nie und nimmer Privatsache. So hat das Christentum einen ganz entscheidenden Einfluss auf die westlich-demokratischen Gesellschaften genommen: Menschenrechte und Grundrechte, die persönlichen Freiheiten des Einzelnen einschließlich der Gewissensfreiheit beruhen auf christlichen Werten. Das Christentum hat trotz allem Machtgebaren feudaler WĂŒrdentrĂ€ger frĂŒhrer Zeiten, auch in der Kirche, die von ihm dominierten Gesellschaften in einem widersprĂŒchlichen Prozess letztendlich deutlich zivilisiert. Das gilt auch und trotz des zerstörerischen Potenzials und der Hervorbringung globaler ökonomischer Ungleichheiten, die immer noch fortbestehen. Das wir Gleichheit aber ĂŒberhaupt als einen Wert an sich betrachten können, fĂŒr den es sich einzusetzen und zu streiten lohnt, ist Ausdruck unseres christlichen Erbes. Deswegen lasse ich mich inzwischen auch gern als christlicher Eurozentrist titulieren.
Die Religion ist also keineswegs etwas Privates. Und auch mein persönliches Bekenntnis ist letztlich nicht nur privat. Es ist Ausdruck meiner persönlichen Wahrheitssuche, und Wahrheit ist letztlich nie etwas Privates sondern universell! Mein Bekenntnis – oder sagen wir besser, meine Form der Gott- und Wahrheitssuche, lĂ€sst sich auch nicht von anderen Facetten meiner Persönlichkeit trennen, sonern prĂ€gt mein Denken und Handeln in meinem sozialkulturellen Umfeld auf Mikroebene, aber auch mein politisches und soziales Denken und Handeln. Es gilt daher: Das private religiöse Bekenntnis ist politisch!

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