Andreas Krebs, Lehrstuhlinhaber am alt-katholischen Seminar in Bonn, hat ein Buch geschrieben. Titel: „Gott queer gedacht“. „Oberflächlich betrachtet, wird mancher ‚Blasphemie‘ rufen“, schreibt sein Rezensent Andreas Heek von der römisch-katholischen „Arbeitsstelle für kirchliche Männerseelsorge*. Doch ließe man sich ergebnisoffen auf die Argumentation von Krebs ein, so werde man eines Besseren belehrt. Heeks Auffassung nach müssen die männlich-normativen „Lesarten der Bibel und die kirchliche und geistesgeschichtliche Tradition“ dringend „dekonstruiert“ werden. Und diese „Dekonstruktion“ sei bei Krebs gelungen.
Der christliche Glaube ist heteronormativ
Betrachtet man das Christentum, bevor Andreas Krebs und seine Mitstreiter es dekonstruiert haben, so stellen wir fest: Das Christentum ist „heteronormativ“! Weder in Schrift noch in der Vätertradition finden wir Aussagen, die etwas anderes nahelegen könnten. Den Menschen ist eine komplementäre (!) Sexualität gegeben, die gleichsam in einen spezifischen Kontext gestellt ist: Dieser Kontext ist nicht „queer“, sondern die enge Verbindung von Mann und Frau, ihr Eins-Werden, ein Fleisch-Werden, in sexueller aber auch in geistig-seelischer Hinsicht. Diesem Eins-Werden, sowohl körperlich als auch geistig-seelisch, kommt eine sakramentale Bedeutung zu, sie ist gleichsam symbolisch auf die Beziehung zwischen Gott und den Menschen bezogen. Auch diese Beziehung ist von Gott her unauflösbar angelegt. Sie kann ihre „Grenze“ im freien Willen des Menschen finden, der sich von Gott abwendet.
Das in der Beziehungswirklichkeit zwischen Mann und Frau zunächst diesseitige, irdisch-profan Sexuelle, bekommt in der besonderen Verschränkung mit der geistlich-seelischen Beziehungsebene einzig in seinem zweigeschlechtlichen, komplementären Ausdruck, durch Gottes Willen eine jenseitige Immanenz und einen sakramentalen Charakter. Ihre Form ist in der Schrift deutlich und unzweideutig „heteronormativ“ beschrieben.
Blankoscheck für eine frei jonglierende, konstruktivistische Theologie
„Verdieseitigung“ des Glaubens
Die Kirche, als Ekklesia, ist die Gemeinschaft der Christusgläubigen, die sich im Gebet und Gottesdienst versammeln. Im Neuen Testament ist die Kirche als die Zusammenkunft jener bezeugt, die auf den Ruf Gottes antworten und sich in seinem Namen versammeln. Der Apostel Paulus lehrt, dass die Kirche als Leib Christi zu verstehen ist. Jeder Gläubige ist Glied einer spirituellen und gleichzeitig sozialen Einheit. Sie soll eine lebendige Gemeinschaft sein, die im Glauben zusammengehört, Gottesdienst feiert, betet und sich gegenseitig unterstützt. Kirche ist mithin eine spirituelle Gemeinschaft, die durch die Sakramente wie die Taufe und Eucharistie gestiftet wird und in die gemeinsame Nachfolge Christi tritt. In ihr treffen Transzendenz und soziale Gemeinschaft in einer Art und Weise aufeinander, in der Glaube konkret gelebt und erfahrbar werden kann. Wer die Kirche, die Ekklesia, zum Gegenstand diesseitiger Partikularinteressen macht, um seinen, den apostolischen und evangelischen Zeugnissen widersprechenden Auffassungen irgendwie in der Kirche Sprachfähigkeit zu verleihen, der „entjenseitigt“ die Kirche, oder anders gesagt, er „verdiesseitigt“ sie. Er schreibt gleichsam eine Theologie der Entkirchlichung.
Der Queer-Begriff zielt auf sexuelle Praktiken. Dort wo diese innerhalb eines weltanschaulich-ideologischen Diskurses artikuliert werden, zielt er gleichsam auf die Dekonstruktion des christlichen Menschenbildes und den damit verbundenen sozialen Implikationen. Es ist ein Sammelbegriff für Menschen, die sich nicht mit der mehrheitlich „heteronormativen“ Vorstellung von sexueller Orientierung, sexuellem Verhalten und Geschlechtsidentität identifizieren und damit gleichsam die bisherigen heteronormativen Grundlagen der christlich-säkular geprägten Gesellschaft sprengen wollen. Der Begriff „queer“ eignet sich daher nicht als theologische Kategorie, es sei denn, man will das überlieferte Christentum dekonstruieren und damit solchermaßen aus der Schrift und Tradition geschöpfte christliche Normen und Werte überwinden und eigene, letztlich kulturpolitische Interessen, in der christlichen Theologie diskursfähig machen.
Die sogenannte „queere Theologie“ sammelt daher nicht, sie zerstreut (Lukas 11, 23). Die Kirche, verstanden als Ekklesia und Gemeinschaft der Gläubigen, lebt von ihrem transzendenten Bezug. Wer sie für partikularistische Interessen instrumentalisiert und der Schrift und Tradition widersprechende Auffassungen in ihr verankern will, „entjenseitigt“ sie. Die sogenannte „Queer-Theologie“ ist eine spezielle Artikulationsform zeitgenössischer Ideologie, um diese salonfähig zu machen für kirchliche Zusammenhänge. Sie gehört auf die akademische Spielwiese des Gender-Mainstreaming-Seminars und nicht an eine theologische Fakultät. Sie bahnt den Weg zu einer postmodernen „Theologie“, die den Christus- und Transzendenzbezug vollständig verloren hat und nur noch den postmodernen Partikularinteressen wirkmächtig gewordener Randgruppen dient.
Fähnchen im gesellschaftspolitischen Wind
Wird sich noch Widerspruch gegen die Theologie der Dekonstruktion und Entkirchlichung in der alt-katholischen Kirche artikulieren,– oder wird sie, nach Frauenweihe und Ehesakrament für gleichgeschlechtliche Paare, endgültig unter deren Einfluss geraten? Sicher ist: Irgendwann wird die Queer- und Transgender-Ideologie und auch ihr theologisches Pendant scheitern. Nur wann, lässt sich nicht prognostizieren. Leider handelt die alt-katholische Kirche, beziehungsweise handeln maßgebliche Protagonisten in ihr, so, wie sie es seit den letzten 80 Jahren immer getan haben. Sie zeigen sich nicht in der Lage, den Glauben zu verteidigen, sondern hängen ihr Fähnchen in den gesellschaftspolitischen Wind. Das Ende kennen wir: Katzenjammer!
Keine Antworten