Von der Schönheit der Byzantinischen Liturgie

Man sagt, Russland habe den orthodoxen Glauben um der Schönheit willen angenommen. Im zehnten Jahrhundert herrschte Fürst Wladimir in Kiew. Er beabsichtigte, das Christentum in seinem Reich einzuführen, schwankte jedoch zwischen der westlichen und der östlichen Tradition.

Um eine Entscheidung zu treffen, entsandte er Boten, die verschiedene Glaubensgemeinschaften in Europa besuchen sollten. Die Gesandten berichteten ihm: „Wir kamen zu den Deutschen und sahen, dass sie viele Gottesdienste feiern – doch wir fanden dort keine Schönheit. Als wir jedoch zu den Griechen kamen, führten sie uns in ihre Kirchen, wo sie ihrem Gott dienten. Wir wussten nicht, ob wir uns im Himmel befanden oder noch auf Erden. Einen solchen Anblick, eine solche Schönheit gibt es nicht auf Erden – und wir sind nicht imstande, sie in Worte zu fassen. Eines aber wissen wir: Gott weilt dort unter den Menschen. Wir können diese Schönheit nicht vergessen.“

Wesenhafte Schönheit

So fand Russland der Legende nach zum orthodoxen, byzantinisch geprägten Christentum. Diese Schönheit äußert sich einerseits sichtbar – in den Ikonen, der Ikonostase, im Duft des Weihrauchs und in jenen Gesängen, die allein von der Klangfülle der menschlichen Stimme getragen werden, ohne instrumentale Begleitung. Höchstens das Klingen der Weihrauchfass-Schellen unterstreicht den Rhythmus.
Zugleich offenbart sich eine tiefere, wesenhafte Schönheit in der inneren Harmonie des Gottesdienstes. Die Liturgie ist ein Dienst vor Gott, den die irdische Kirche gemeinsam mit der himmlischen und allen Engeln vollzieht. In ihr wird der Schöpfer durch Riten, Hymnen, Gebete und Gesänge verehrt und verherrlicht. Ziel ist es, den Menschen zu heiligen, ihn mit Gnade zu erfüllen und unter den Segen des Himmels zu stellen.

Irdisch oder himmlisch?

Im Westen hat sich zunehmend eine Liturgieform durchgesetzt, die sich an den Bedürfnissen der Gegenwart orientiert: Es muss etwas geschehen, man soll etwas erleben, mitgestalten können. Der Mensch rückt ins Zentrum – und es darf nicht zu lange dauern. Alles soll sich „harmonisch“ in die “Life-Balance” einfügen.
Der byzantinische Ritus folgt einer anderen Intention: Er richtet sich in erster Linie auf Gott – und nimmt den Menschen mit auf diesen Weg. Dabei entfaltet er einen überzeitlichen Charakter. Der Gottesdienst unterbricht das alltägliche Leben, um die Gläubigen ins Himmlische zu entheben. Er will den Menschen herauslösen – nicht nur aus dem Alltag, sondern auch aus der Fixierung auf das Materielle, Irdische, Fleichliche.

Hineingezogen ins Göttliche

Der Ritus folgt keiner Agenda, die „abgearbeitet“ wird, wie ein Programmpunkt, den man abhaken kann. Er entzieht sich solcher Funktionalität. Vielmehr zieht er uns Schritt für Schritt ins Göttliche hinein. In Ektenien, Hymnen, Psalmen und Gebeten wird das Heilige immer wieder neu umkreist. Der Gottesdienst hebt uns aus der Welt und führt uns ins Mysterium. Das ist sein kontemplativer Kern.
Wer tief in den Alltag verstrickt ist, mag das als ermüdend empfinden: „Reicht es nicht, wenn das einmal gesagt wird? Muss man das ständig wiederholen (?), mögen westeuropäische Besucher byzantinischer Gottesdienste sagen oder denken! Doch nein – es reicht nicht. Wenn wir Liturgie feiern, stimmen wir ein in den ewigen Lobgesang der Engel. Wir tauchen ein in eine andere Wirklichkeit. Die Hinwendung zum Heiligen kennt kein Zeitmaß. Es braucht einen Tropfen Ewigkeit.
Deshalb ist die Liturgie, insbesondere die byzantinische, ein Übungsraum – eine Schule der Präsenz Gottes. Nirgendwo wird dies so deutlich wie in den ausgedehnten Gottesdiensten des byzantinischen Osterfestes. Natürlich: Auch eine westliche Liturgie kann zur Erfahrung des Heiligen führen. Doch dort ist es oft dem persönlichen Geist des Zelebranten überlassen. In der byzantinischen Liturgie hingegen ist diese Hinführung zum Heiligen gewissermaßen systemisch verankert.
(Niederalteich 16.04.2025)

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"In eben jener katholischen Kirche selbst ist mit größter Sorgfalt dafür zu sorgen, dass wir halten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich und wahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund der Sache erklären, alle insgesamt umfasst."
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Hl. Johannis von Shanghai
„Nie, nie, niemals lasst euch von irgendwem sagen, dass man, um orthodox zu sein, östlich sein muss. Der Westen war für tausend Jahre voll orthodox, und seine ehrwürdige Liturgie ist viel älter als jede seiner Häresien.“ Hl. Johannes (Maximowitsch), Bischof der ROCOR von Schanghai, Paris und San Francisco (+ 2. Juli 1966).
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