Der Machbarkeitswahn der instrumentellen Vernunft

Alles, ja wirklich alles, sei abhängig vom Willen und der Gedankenkraft der Menschen selbst: Solche Lehren werden in einigen derzeit angesagten Psychokulten vertreten, die auf den zweiten Blick manchmal kaum weniger gefährlich zu sein scheinen, wie die Scientology-Sekte. Dazu gehört beispielsweise das sogenannte „Geheimnis“, verbreitet unter dem angelsächsischen Originaltitel „The Secret“. Jeder Wunsch, den der Mensch an das Universum richte, werde auch erfüllt: Reichtum, Erfolg, Gesundheit, ja möglicherweise sogar die Unsterblichkeit des irdischen Menschenlebens, alles sei erreichbar, sofern man nur wirklich und aufrichtig daran glaube. „Das Geheimnis kann Ihnen geben, was immer Sie wollen“, sagt die Australierin Rhonda Byrne, die das Geheimnis entdeckt haben will. Andererseits zögen aber auch negative Gedanken und Ängste das Schlechte geradezu magisch an. Ergo: An den eigenen Schicksalsschlägen sei der Mensch immer selbst schuld, er habe sich eben zu sehr dem Negativen hingegeben.
In einem anderen Verfahren, das als „The Work of Byron Katie“ bezeichnet wird, geht es im Prinzip darum, sich von der eigenen Kritikfähigkeit zu verabschieden und einen vollkommen bejahenden Bezug zur gegebenen Realität herzustellen. So soll sich die Person mit den Gegebenheiten versöhnen und eine akzeptierende Haltung zur eigenen Lebensrealität finden. Negatives sei nur bedingt durch negative Geschichten, die wir ständig selbst imaginär erzeugen und reproduzieren würden, so die These. Die eigenen Glaubenssätze sollen auf ihren Realitätsgehalt hin überprüft und verändert werden. Letztlich habe der Mensch seine Probleme durch eine negative Haltung immer selbst erzeugt. Alles werde gut, wenn man nur die negative Haltung aufgebe. Selbst an einem sexuellen Missbrauch seien die Betroffene letztlich selber schuld. Wahr sei immer das Gegenteil dessen, was man ursprünglich als wahr empfunden habe, sagt die US-Amerikanerin Byron Kathleen Reid, genannt Byron Katie, die dieses Verfahren kreiert hat. Wer ihre Methode befolge, lebe zukünftig glücklich und gesund, behaupten sie und ihre Anhänger.

Doch solche und ähnliche Psychopraktiken sind letztlich ein extremer und ins Esoterische gewendeter Ausdruck des Machbarkeitswahn, dem die postmoderne Gesellschaft verfallen ist. Man kann es vielleicht auch so sagen: der Glaube an die alles erklärbare und quantifizierbare Macht der Wissenschaften einerseits, und an die Kraft der eigenen Imaginationen andererseits, sind lediglich die zwei Kehrseiten der postmodernen Medaille.
Mit einem „Alles geht“ überhöht sich der Mensch im Endeffekt selbst und versucht damit eine Leerstelle zu füllen, die durch den sich verbreitenden Atheismus entstanden ist. Esoterik und Psychokulte sind daher unvereinbare Antagonismen unseres christlichen Glaubens.
Für uns Christen ist alles eingebunden in eine höhere Vernunft, nach deren Erkenntnis wir streben können und müssen, der wir jedoch durch unsere eigene Begrenztheit immer nur parziell teilhaftig werden. Wir haben daran Anteil, indem wir uns dem Wirken einer transzendenten Intelligenz und ihrer Ordnung anvertrauen. Das ist nichts Passives oder blind Vertrauendes. Wir versuchen, im Sinne des Willens Gottes zu handeln, soweit wir ihn begreifen und erkennen können. Insofern versuchen wir, durch unser aktives Tun an unserem eigenen Heil und am Heil der Welt mitzuwirken. So zumindest verstehe ich die katholische Haltung der Werkgerechtigkeit. Wer sich der Esoterik oder den esoterisch beeinflussten Psychokulten anvertraut, begibt sich in die Hände destruktiver Kräfte, die ihn schließlich immer weiter von der liebenden Kraft Gottes entfremden.

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