An die Substanz

Zur aktuellen Diskussion ĂŒber das Sakrament der Ehe in der alt-katholischen Kirche

Die nĂ€chste altkatholische Synode will ĂŒber das Ehesakrament beraten. Zur Disposition steht, auch homosexuellen Lebenspartnerschaften das “Sakrament der Ehe“ zu spenden. Was bedeutet das? Oder zunĂ€chst mal: was bedeutet das fĂŒr mich?

(In: Christen heute, August 2018)

In der hannoverschen Gemeinde habe ich viel ĂŒber die alte Kirche, das Christentum und die christliche SpiritualitĂ€tgelernt – und bin seither immer katholischer geworden. Und ich sage bewusst, katholischer, nicht alt-katholischer.

Auch die ersten Alt-Katholiken wolten nur katholisch sein

Auch die ersten Alt-Katholiken wolltenja eigentlich nicht Besonderes sein, sondern in erster Linie katholisch. Umdeutlich zu machen, worum es ihnen geht, haben sie in einer ihrer erstenStellungnahmen den hl. Vinzenz von LĂ©rins zitiert: „In eben jener katholischenKirche selbst ist mit grĂ¶ĂŸter Sorgfalt dafĂŒr zu sorgen, dass wir halten, wasĂŒberall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich undwahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund derSache erklĂ€ren, alle insgesamt umfasst.“

Katholizismus: Verwurzelung in Schrift und Tradition

FĂŒr mich folgt daraus, dass Katholizismus einerseits in der Schrift und andererseits in der Tradition wurzelt. Wer diese Grundlagen aufgibt, gibt meiner Meinung nach wesentliche Elemente des Katholizismus auf. Das gilt, so denke ich, auch fĂŒr den Alt-Katholizismus, den ich immer als eine spezifisch ökumenische Form des katholischen Glaubens verstanden habe: gekennzeichnet von einer stark orthodox geprĂ€gten Kirchenlehre, einem römischen Ritus und einem ordentlichen Schuss evangelischer Freiheit. 

Koinonia auf altkirchlicher Basis

Ich halte mich in meinen GlaubensĂŒberzeugungen daher insbesondere an die “Koinonia aufaltkirchlicher Basis“, an einen Text des orthodox-alt-katholischen Dialoges aus den Jahren 1975 bis 1987, in dem beide Seiten die Grundlagen ihrer gemeinsamen GlaubensĂŒberzeugungen niedergelegt haben. Was sagt die „Koinonia“ ĂŒber das Thema Sakrament? Mit dem Wort „Mysterion“ oder Sakrament, so heißt es dort, wird im neuen Testament das Handeln Gottes bezeichnet, der den Menschen durch seinen Sohn Jesus Christus das Heil und die Vergebung zugesagt hat. WĂ€hrend des irdischen Wirkens von Christus, dass in Kreuz und Auferstehung seinen Höhepunkt fand, wurden die Mittel gestiftet, die dem Heil und der Gnade dienen: “die heiligen Sakramente oder Mysterien”. Diese wirken durch die Gegenwart des Heiligen Geistes. Es ist die allgemeineAuffassung der Kirche, dass die Sakramente aus sich heraus heilswirksam sind.

Heilswirksame Gnadenzeichen

Sakramente sind also heilswirksame Gnadenzeichen, die von Christus gestiftet und kraft der Gegenwart des Heiligen Geistes wirksam werden. Und ĂŒber das Ehesakrament wird gesagt: “Die Ehe(…) wurde bei der Schöpfung von Gott als eine Gemeinschaft der Liebe und der gegenseitigen Hilfe von Mann und Frau gestiftet, dann vom Herrn bestĂ€tigt und von ihm durch seine Anwesenheit bei der Hochzeit zu Kana gesegnet. (…) Im Neuen Bund stellt sich die Ehe, in der sich Mann und Frau in gegenseitiger Liebe und Glaube verbinden, als großes Geheimnis der Liebes- und Einheitsbeziehung zwischen Christus und der von ihm gestifteten Kirche im Bild dar.” 

Kann nun auch eine homosexuellePartnerschaft so ein heilswirksames besonderes Gnadenzeichen sein? Nein, so denke ich. Denn in den biblischen Texten findet sich nichts, was diesen Schluß zuließe. Sowohl in den alt- als auch neutestamentarischen Schriften kommen homosexuelle Handlungen nicht besonders gut weg. Welche GĂŒltigkeit man diesen Textstellen noch zugestehen mag – oder auch nicht zugesteht, eins ist jedoch klar:  Die Ehe wird in den Christusworten und im gesamten biblischen Kontext eindeutig als Beziehung zwischen Mann und Frau beschrieben. Hier gibt es keinen Spielraum fĂŒr Interpretationen. Wer homosexuelle Partnerschaften als Ehe betrachten möchte, kann sich dabei jedenfalls nicht auf ein Christuswort oder eine andere Passage in der Schrift beziehen.

Liebende Hinwendung zu den Menschen

SelbstverstĂ€ndlich darf ein Mensch mit einer homosexuellen Orientierung niemals abgewertet, erniedrigt oder verĂ€chtlich gemacht, geschweige denn “gehasst”werden. Hass ist immer unchristlich, Jesu Hinwendung zu den Menschen war eine liebende. NatĂŒrlich können Menschen inhomosexuellen Lebensgemeinschaften gesegnet werden. Liebe ist immer einGeschenk.

Nicht austauschbar

Dort jedoch, wo die Ehe als Sakrament,als durch Christus gestiftetes Gnadenzeichen eingesetzt ist, ist sie es völlig  eindeutig als eine Verbindung von Mann und Frau. Die Verbindung von Mann und Frau wird in Beziehung gesetzt zur Verbindung von Gott und der Menschheit beziehungsweise von Christus und der Kirche. Eine Ehe zwischen zwei Christen hat Anteil an diesem Bund. Und ist damit nichts Beliebiges, was je nach Gusto verĂ€ndert werden kann. Christus hat Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut in der Eucharistie eingesetzt. Insofern kann fĂŒr die Eucharistiefeier eben auch nur Brot und Wein verwendet werden und nicht beliebige andere Dinge der Schöpfung Gottes. Das gilt unabhĂ€ngig vom kulturellen Kontext, es ist nicht austauschbar. Beispiel: Brot und Wein haben in Asien keinen besonderen Stellenwert; Reis und Tee schoneher. Dennoch kann das in der Eucharistie um der besseren VerstĂ€ndlichkeitWillen nicht ausgetauscht werden.

Ganz Ă€hnlich ist es beim Sakrament derEhe: Das natĂŒrliche Zeichen der Ehe ist die Verbindung eines Mannes und einer Frau. Die sakramentale Eheschließung eines homosexuellen Paares ist, so meine ich, nach katholischem VerstĂ€ndnis, nach den Quellen des katholischen Glaubens in Schrift und Tradition, daher gar nicht möglich.

Ehe: verbindliche und  prinzipiell unauflösliche Bindung von Mann und Frau

Die Ehe ist aus christlicher Perspektive eine verbindliche und prinzipiell unauflösliche Bindung von Mann und Frau. Sie werden in der Ehe nach einem Christuswort zu einem Fleisch. Danach ist die Ehe ist als eine leibliche und geistige und prinzipiell fĂŒr die Zeugung von Nachwuchs offene Gemeinschaft von Mann und Frau angelegt, in der die “Sorge um den Leib des anderen zugleich die Sorge um den eigenen Leib“ ist, wie der Apostel Paulus im Epheserbrief erklĂ€rt.

So findet die göttliche Schöpfung des Menschen als Gottes Ebenbild und als Mann und Frau in der Ehe ihre Entsprechung: “Und Gottschuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie einen Mann und ein Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und fĂŒllt die Erde und macht sie euch untertan undherrscht ĂŒber die Fische im Meer und ĂŒber die Vögel unter dem Himmel und ĂŒber alles Getier, das auf Erdenkriecht.” 

WertschÀtzung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

Das muss die WertschĂ€tzunggleichgeschlechtlicher Partnerschaften nicht ausschließen. Hier ist aber eine  differenzierte Wahrnehmung notwendig. Und “Differenzierung ist keine Diskriminierung (
)”, wie es der Vorsitzende der Kommission fĂŒr Ehe undFamilie der (römisch-katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Heiner Koch, sehr richtig formuliert hat. Schade, dass solche klaren Positionen nicht auch von alt-katholischer Seite zuvernehmen sind.

 Der Forderung, alle und alles sollegleich behandelt werden, und so eben auch die gleichgeschlechtlichenPartnerschaften, liegt letztlich eine Sichtweise zugrunde, in der das Wollen und mithin auch die BedĂŒrfnisse des Individuums zum Maß aller Dinge stilisiert werden. Sie verdankt sich dem grassierenden Hedonismus in der Gesellschaft, der den menschlichen Willen und die BedĂŒrfnisse “des Fleisches“, wie es in deralten Kirche heißt, zur allgemeinen DaseinsprĂ€misse erhebt. Das aber ist ein Weg, der von Gott weg und nicht auf ihn hinfĂŒhrt. Wisst ihr nicht, heißt es imBrief des Jakobus, „dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer also ein Freund der Welt sein will, der wird zum Feind Gottes“.

Welt-Perspektive

Die Vorstellung, das auch der Verzicht manchmal etwas Heilsames, Heil stiftendes fĂŒr den Menschen und sein soziales Beziehungssystem sein kann, ist aus dieser Welt-Perspektive völlig absurd. Dass es, um ein anderes Beispiel zubemĂŒhen und hier einmal vom Thema HomosexualitĂ€t zu abstrahieren, notwendigsein kann (nicht immer: muss) nach einer gescheiterten Ehe auf weitere Ehenrespektive Partnerschaften und damit auch auf SexualitĂ€t zu verzichten, dassbei manchen persönlichen Vorlieben und Orientierungen auch ein gewisses Maß anZurĂŒckhaltung sinnvoll sein kann, das ruft heutzutage Abwehr und zum Teilheftige Aggressionen hervor, die sich vornehmlich gegen die Kirche und diechristliche Ethik richten.

Das auszuhalten ist nicht immer leicht. Dem nachzugeben und die Kirchenlehre „der Welt“, sprich zeitgenössischen Modenund Auffassungen, anzupassen, bedeutet aber gleichsam eine SelbstsĂ€kularisierung der Kirche. Die alte Kirche ist an dem Widerstand dagegen gewachsen! Wer hier zurĂŒckweicht, sollte nicht mehr von sich behaupten, in der “Tradition der alten Kirche” zu stehen. Wer Zustimmung vornehmlichbei denen sucht, welche die Kirche am liebsten gleich ganz abschaffen wollen und in deren Sinn handelt, wird am Ende auch deren GeschĂ€ft betreiben.  

Was wird sich fĂŒr Menschen wie mich, mit einem altkirchlichen KirchenverstĂ€ndnis, Ă€ndern, wenn die alt-katholische Kirche dazu ĂŒbergeht, homosexuellen Lebensgemeinschaften das”Ehesakrament” zu spenden? Solche Entwicklungen gehen meiner Meinung nach an die Substanz des katholischen Glaubens. Und daher werde ich ein StĂŒck geistige Heimat verlieren. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Ende der Vielfalt

In einer der letzten Ausgaben der Zeitschrift „Christen heute“ war sinngemĂ€ĂŸ zu lesen, dass die Vielfalt eine StĂ€rke der Alt-Katholiken ist. Wenn die alt-katholische Kirche beginnt, die Sakramente umzumodeln, damit sie besser in eine sich sĂ€kularisierende Gesellschaft passen, oder neue dazu zu erfinden, wie etwa ein „Sakrament der Lebenspartnerschaft“, dann wird es mit der Vielfalt vorbei sein. Dann wird es fĂŒr Christen mit einem altkirchlichen KirchenverstĂ€ndnis, denen eine in Schrift und Tradition wurzelnde KatholizitĂ€t wichtig ist, im Grunde nur noch wenig Platz bei den Alt-Katholiken geben. Die Alt-Katholiken werden dann endgĂŒltig zu einer protestantischen Denomination, sagte kĂŒrzlich ein orthodoxer Bekannter von mir.

Ich fĂŒrchte, da hat er recht. 

Andreas Krebs: Gleichheit oder Differenz

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