Der Weg nach Hause

Sunset

Ich trat ein und wußt’ nicht wo,
und blieb auch ohne Wissen,
alles Wissen ĂŒbersteigend.

Wo ich eintrat, wußt’ ich nicht,
Doch als ich mich dort gewahrte,
ohne Kenntnis meiner Bleibe,
hörte ich von großen Dingen.
Was ich hörte, sag’ ich nicht.
Blieb ich doch ganz ohne Wissen,
alles Wissen ĂŒbersteigend.

Frieden war’s mit Gott und der Welt,
wovon ich zutiefst erfuhr
ganz allein in meinem Herzen.
Klar ward mir der rechte Weg.
Alles war so voll Geheimnis,
dass ich nur noch stammeln konnte,
alles Wissen ĂŒbersteigend.

Trunken war ich, wie von Sinnen,
hingerissen, außer mir.
Blieb dabei doch mein Empfinden
jeglicher Empfindung bar.
Und der Geist sah sich beschenket
mit Verstehn, das nicht verstand,
alles Wissen ĂŒbersteigend.

Jeder, der dorthin gelangt,
wird ganz irre an sich selbst.
Alles, was er vorher wusste,
scheint ihm jetzt verschwindend klein.
Und sein Wissen wÀchst so sehr,
dass er ohne Wissen bleibt,
alles Wissen ĂŒbersteigend.

Doch je höher man dort steigt,
desto weniger versteht man,
dass die dunkle Wolke kommt,
um die Nacht uns zu erhellen.
Wer sie kennt, die dunkle Wolke,
der bleibt immer ohne Wissen,
alles Wissen ĂŒbersteigend.

Dieses Wissen, das nicht weiß,
ist von großer MĂ€chtigkeit,
und die Weisen können nie,
denkend sich’s zu eigen machen.
All ihr Wissen reicht nicht hin,
nicht verstehend zu verstehen,
alles Wissen ĂŒbersteigend.

Jenes allerhöchste Wissen
ist so ĂŒberhoch erhaben,
dass kein Können und kein Wissen
jemals es begreifen kann;
nur wer selber sich besiegte
durch ein Wissen, das nicht weiß,
wird’s fĂŒr immer ĂŒbersteigen.

Doch wer hören will, der höre:
Dieses allerhöchste Wissen
ist Empfinden hoch erhaben
Gottes eig’ner Wesenheit;
dieses wirkt in ihrer GĂŒte
und lÀsst nicht verstehend bleiben,
alles Wissen ĂŒbersteigend.

Johannes vom Kreuz

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