Mut, die eigenen Fehler einzugestehen (4)

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“Schuld” ist ein Wort, dass heute nicht sehr hoch im Kurs steht. Und die eigene Schuld zu bekennen, schon gar nicht. Wahrscheinlich stand das noch nie hoch sehr hoch im Kurs. Aber gerade heute passt vielen das Christentum auch deswegen nicht mehr, weil es da immer irgendwie um Schuld geht. Ich wollte davon frĂĽher auch nichts wissen.
Schuld kann entstehen, wenn man einen Fehler gemacht hat. Aber wer gesteht schon gern die eigenen Fehler ein? Der spontane Reflex, wenn irgendetwas schief gelaufen ist, bei der Arbeit zum Beispiel, besteht eher darin, erstmal jede Schuld von sich zu weisen. Schuld sind immer die anderen. Das ist auch verständlich, denn Fehler zu machen und sich dazu zu bekennen, wird in der Regel wenig goutiert. Im Arbeitsleben – oder auch in anderen sozialen Zusammenhängen – kann man damit schnell auf die Abschußliste geraten. Wer zu viele Fehler macht, gefährdet seine berufliche Existenz. Und damit ist im Kapitalismus meistens auch die Angst verbunden, seine bürgerliche Existenz – zumindest seinen sozialen Status – zu gefährden. Manchmal bedarf es auch gar keiner Fehler, um Probleme zu kriegen, da reicht es schon, wenn man etwas in der Leistung nachlässt.
Kein Wunder also, dass niemand gern einen Fehler zugibt. Mir geht es da nicht anders. Wenn etwas daneben gegangen ist, schiebe ich es gern anderen in die Schuhe, um selbst gut da zu stehen. Diese Angst vor Fehlern, die sich uns bĂĽrgerlichen Subjekten so tief in die Psyche gesenkt hat, wirkt sich natĂĽrlich auch in anderen Lebensbereichen aus. Viele Ehen kranken daran, oder scheitern gar, weil man die Fehler immer beim Partner sucht und die eigenen gern unter den Teppich kehrt. Ich bin da leider keine Ausnahme.
Die Crux bei der Sache ist: kein Mensch ist ohne Fehler, kein Mensch ist ohne Schuld. Auch wenn wir es gar nicht beabsichtigen, laden wir Schuld auf uns. Manchmal beispielsweise verletzen wir andere Menschen, weil wir ihnen zu wenig Beachtung schenken oder sie nicht ernst genug nehmen, uns nicht genug um jene kĂĽmmern, die uns gerade brauchen.
Wie auch immer. Niemand ist ohne Schuld. Und solange wir die nicht irgendwie loswerden, tragen wir sie mit uns herum, und die Packung wird im Laufe des Lebens eher größer. Um sie loszuwerden, muss man sie sich erstmal eingestehen.
Der Grund, warum das Christentum heute (scheinbar) nicht nur an EinfluĂź verliert, sondern geradezu angefeindet wird, besteht unter anderem darin, dass es sich der kapitalistischen Logik, Fehler von sich weg und anderen in die Schuhe zu schieben, diametral entgegen stellt. Damit wir. die von Fehlern (und Schuld) gebeugten Menschen aufrecht, aufrecht vor Gott, stehen können, hat Christus alle Schuld auf sich genommen. Dieser Zusammenhang kommt insbesondere in der orthodoxen Liturgie zum Ausdruck. “Man steht aufrecht vor Gott, geistig und körperlich. Deshalb gibt es im Tempel keine StĂĽhle”, heiĂźt es etwa auf der Website des Heiligen Deutschen Orthodoxen Dreifaltigkeitskloster Buchhagen. Wir können unsere Schuld loswerden, wenn wir uns – vor Christus – zu ihr und zu unseren Fehlern bekennen. Dann haben wir teil an seinem Befreiungswerk, das uns durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung gegeben ist. Das hört sich einfach an, ist es im wirklichen Leben aber nicht. Wie wir wissen. Wir haben uns angewöhnt, Schuld und Fehler zu verleugnen, zu vertuschen und zu verschleiern. Das ist uns bĂĽrgerlichen Subjekten quasi in Fleisch und Blut ĂĽber gegangen. Und jetzt sollen wir uns dazu bekennen. Das empfinden viele als Zumutung. Einfacher sind Umkehr und Neuanfang aber leider nicht zu haben!

Gütiger Gott, es fällt mir nicht leicht, meine Fehler einzugestehen und meine Schuld zu bekennen. Zu oft sehe ich den Splitter im Auge meines Nächsten, aber den Balken in meinem eigenen erkenne ich nicht. Manchmal erhöhe ich mich selbst, indem ich andere erniedrige. Schenke mir den Mut und die Kraft, mit der Veränderung, die ich mir von anderen wünsche, bei mir selbst anzufangen und mich zu meinen Fehlern, Schwächen und meiner Schuld zu stellen.

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