Das innere Inferno
Das Literatur- und Filmgenre des Sience Fiction ist den Mief des Trivialen zurecht nie richtig losgeworden. Man muss sich nur einmal in die Scifi und Fantasyabteilung seiner Buchhandlung begeben, um zu sehen, wie viel schwer Verdauliches da so im Angebot ist. SciFi nebst Fantasy, das ist quasi der Burger King unter den Literaturgattungen. Immerhin erzählen diese Produkte etwas über die Ängste des postmodernen Subjekts. SciFi und Fantasy sind die menschlichen Projektionen der Furcht vor Dissoziation, Bedrohung, Vernichtung, Untergang und Verlassensein. Es sind oft nicht zuletzt imaginierte Höllenbilder, die der Filmindustrie und dem Buchhandel respektable Umsätze einfahren. So wie sich die menschlichen Ängste und Obsessionen früher in Märchen und Mythen verdichteten, so heute in SciFi und Fantasy. Das Bild, das da von der Psyche des (post)modernen Menschen durchscheint, mag im Übrigen manchmal wenig Anlass zur Hoffnung geben.
Interessant ist, dass Science Fiktion Autoren aus den osteuropäischen Ländern, wie Stanislav Lem oder die Strugatzki-Brüder, viel mehr über das Wechselverhältnis von Individuum, Psyche, Ort, Zeit und sozialem Raum modelliert haben, anstatt lediglich das – innere – Inferno heraufzubeschwören.
Der Wolkenatlas
Neben all dem speist sich zumindest die Sience Fiktion aus der Neugier nach dem Zukünftigen. Was wird sein, wie wird es einmal werden, wie geht es mit uns weiter, oder, wenn es ein gegenwartsbezogenes Werk ist, der Spur des Optionalen folgend, was hätte sein können, wenn(?). In diesem Umfeld ist der Roman der „Der Wolkenatlas“ von David Mitchell zu verorten, der vor kurzem in der Verfilmung von Lana und Andy Wachowski sowie Tom Tykwer in den Kinos lief. David Mitchell ist kein Science Fiction Autor, und er wollte vermutlich auch keinen Sience Fiktion Roman schreiben. Da der Roman – wie die Verfilmung – jedoch teilweise auch in der Zukunft handelt, ist es Mitchells Werk nicht erspart geblieben, dem genannten Genre zugeschlagen zu werden. Mitchell hat sechs Geschichten über unterschiedliche Orte und Zeiten erzählt und dabei zu zeigen versucht, wie sich diese individuelle Geschichten und Ereignisse über einen Zweitraum von fast 1000 Jahren hinweg miteinander verbinden und so die Zukunft schaffen. Gegenwart und Zukunft speisen sich aus den Koordinaten vieler einzelner ineinander verwobener Menschengeschichten, so darf man Mitchell wohl lesen. Sie speisen sich aus Schicksalhaftem und aus bewussten Entscheidungen. Was wir tun oder unterlassen bewegt die Welt. Auch hier gibt es viel Apokalyptisches, das im Film indes schnell in den Mittelpunkt gerät. Leider bleibt dabei, wie so oft, der Plot irgendwie auf der Strecke, wirkt streckenweise konstruiert und, anders als im Buch, erschließen sich die Zusammenhänge zwischen den Geschichten nur schwer. Gegenüber anderen Machwerken des Genres ist der Film immer noch einigermaßen sehenswert, gegenüber der einfallsreich erdachten und spannend erzählten Romanvorlage fällt er stark ab.
Fazit:
Buch: Prädikat lesenswert
Film: FĂĽr Freunde des Genres sehenswert
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